Giovanni di Lorenzo

„Wo ich lautstarke Medienjournalisten erwarte, höre ich ohrenbetäubendes Schweigen“

Er hat sich vorbereitet. Zum Gespräch in einem Berliner Fünf-Sterne-Hotel hat Giovanni di Lorenzo eine Mappe mit Material mitgebracht, Aufschrift: „Niggemeier“. Wir sind verabredet, um uns zu streiten. Der „Zeit“-Chefredakteur ist kein Fan meiner Arbeit, und auch kein großer Freund von Medienjournalismus. Fast zwei Stunden reden wir, aber auch dann ist er noch nicht durch mit seiner Kritik der Kritik. Weitere Punkte wird er später per Mail nachreichen.

Herr di Lorenzo, wenn ich Ihnen sage, dass wir ein großes Online-Magazin für Medienkritik machen, was ist Ihre Reaktion?

Ich bin neugierig und voller Bewunderung für die erklärte Absicht, dass sich das irgendwann auch finanzieren soll.

Kein Gefühl: „Muss das sein?“

Nee, Medienkritik ist ja Ihr Markenzeichen, insofern ist man da Kummer gewöhnt.

Sie haben mir im vergangenen Jahr mal länger ins Gewissen geredet, weil Sie schädlich finden, was ich mache.

Bitte nicht so pauschal! Ich finde manche Sachen sehr gut, geradezu wegweisend. Andere finde ich höchst problematisch.

Giovanni di Lorenzo
Giovanni di Lorenzo Jim Rakete/Die Zeit

Wann ist Medienkritik für Sie destruktiv?

Wenn sie getragen ist von der Grundhaltung: Eigentlich ist alles, was andere machen, Scheiße. Und jedes bisschen Lob muss mit drei, vier relativierenden und möglichst herabsetzenden Sätzen begleitet sein, sonst geht es zu Lasten desjenigen, der es ausspricht. Manchmal muss man auch Dinge richtig gut finden, und vor allem: das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden.

Was mich an Medienkritik immer ärgert, sind Berichte, in denen Leute anonym mit Kritik am eigenen Haus zitiert werden. In jedem Haus findet man Unzufriedene, die hinterrücks lästern. Wir sind aber nicht der Transporteur von Latrinengerüchten.

Es soll auch schon Zeitungen gegeben haben, bei denen Chefredakteure sagen: Ich halte mir diese Medienseite ganz gerne, weil ich dadurch, sollten wir angegriffen werden, ein schönes Mittel habe, dem Angreifer bei nächster Gelegenheit eine zurück zu langen.

Ist die Situation nicht heute genau umgekehrt? Chefredakteure und Verleger leisten sich am liebsten keine Medienseiten, um sich nicht angreifbar zu machen?

Doch, diese Tendenz gibt es.

„Ich empfinde Ihre Kritik als sehr deutsch.“

Herbert Riehl-Heyse, der verstorbene Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, hat auf dem Höhepunkt der Zeitungskrise 2002 eine „Grundsolidarität“ gefordert von Journalisten untereinander. Damit habe ich ein Problem: Warum soll ich als Journalist andere Journalisten weniger hart kritisieren, sondern mich unterhaken?

Da haben wir keinen Dissens. Man sollte nur Schadenfreude vermeiden. Es gibt genügend Blogs, die das bis zum Exzess feiern. Ich finde das nicht die angemessene Tonlage. Wenn zum Beispiel der „Spiegel“ ankündigt, zwanzig Prozent der Stellen abzubauen, möchte ich kein Triumphgeheul hören oder Sätze, die suggerieren: Ah, wird ja auch Zeit, der Laden war eh überbesetzt. Das steht uns nicht an.

Die Frage, ob man den Verlust von Arbeitsplätzen mit Häme kommentieren muss, stellt sich ja in der Wirtschaftsberichterstattung auch jeden Tag. Warum sollte man, wenn es um VW oder Siemens geht, eher hämisch sein dürfen als bei Kollegen?

Da fragen Sie den falschen, weil ich sowieso der Meinung bin, dass Häme – neben Zynismus – uns Journalisten nicht gut tut und einer der Gründe für die Medienverdrossenheit im Land ist.

Wo wir, glaube ich, einen Dissens haben: Ich finde Ihre Kritik an großen und kleinen Fehlleistungen zu pauschal und ich empfinde sie als sehr deutsch, in dem Sinne, dass ich darin eine Heilserwartung erkenne: Irgendwann werden alle Menschen fehlerfrei und dann ist alles gut.

Die Erwartung habe ich gar nicht.

Ihre Kritik an Fehlern ist ja in vielen Fällen berechtigt. Nur ziehen wir eine andere Konsequenz. Ich sage: blöd, ärgerlich, aber leider unvermeidlich, so sehr man sich auch müht – wer macht, macht Fehler. Sie machen oft eine Systemfrage daraus, schreiben von „Mainstreammedien“ oder der „Medienmeute“.

Schon im Begriff liegt eine Herabsetzung, die mir Sorge macht. Das Versagen dieser „Meute“ nahmen Sie zum Beispiel sofort an, als der Satiriker Jan Böhmermann kurzerhand behauptete, er habe das Video mit dem Stinkefinger des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis gezielt gefakt. Tatsächlich hatte sich Böhmermann nur einen Spaß erlaubt und Sie sind drauf reingefallen.

Auch ich kritisiere oft die Medien – auch sehr hart. Ich lehne die Menschenjagd und die Konformität der Urteile ab. Aber Fehler sehe ich nicht als etwas, das die Verkommenheit der Medien beweist, sondern als das, was Fehler oft sind: ein Versagen trotz großen Bemühens, es richtig zu machen.

Es gibt natürlich beides. Fehler trotz des Bemühens – und fehlendes Bemühen. Es gibt grundsätzliche Defizite im Journalismus, die sich in Fehlern ausdrücken.

Das zweite, das ich Ihnen vorhalte: Dass sich Ihre Fehlersuche auch auf „falsche“ Meinungen erstreckt. Die Gefahr ist, dass Sie zu einer Art Gesinnungspolizei werden. Das ist mir zuwider.

Ich sehe mich nicht als Gesinnungspolizist.

Nehmen wir Harald Martenstein, eine Ihrer Zielscheiben seit Jahren. Ich bin mit ihm nicht immer einer Meinung gewesen, das erwarte ich aber auch gar nicht. Er ist ein Antikonformist par excellence und ein glänzender Kolumnist.

Wenn man das, was er geschrieben hat, in ein paar Jahren nachliest, wird man vermutlich feststellen, dass er wie nur wenige den Blick für die Exzesse des Zeitgeistes hatte, auch für die Übertreibung der Political Correctness. Wenn er also anprangert, dass das Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg einen Feldzug gegen sexistische Werbung führt, dann verkeilen Sie sich in der Frage, ob es vier, 23 oder 28 Plakatwände sind. Aber seien Sie ehrlich: Im Grunde ging es Ihnen um eine Meinung, die Ihnen nicht passt.

Ich weiß gar nicht, wie ich solche Beschlüsse der Kreuzberger Politik finde. Mein Problem mit Harald Martenstein ist, dass ihm egal ist, ob die Fakten stimmen, solange sie sein Bild von der Welt zu bestätigen scheinen. Er verbreitet vor allem in seinem Feldzug gegen die angeblich herrschende „Political Correctness“ längst widerlegte Mythen, die Ressentiments bestärken.

In erster Linie stellt er sich gegen den Mainstream und ist oft sehr lustig. Es sind satirische Kolumnen, da muss man doch nicht mit der Keule drauf schlagen, er könne die falschen Ressentiments bedienen – dieser Geist macht unfrei.

Ich habe auch Ihren Furor gegen die „Tagesschau“ nicht kapiert, weil die bei der Trauerfeier für die Opfer des Anschlags auf die Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ versäumt hat zu sagen, dass die Staatsoberhäupter in einem separaten Block gingen. Da unterscheiden Sie eben nicht zwischen Wichtigem und Unwichtigem.

Mein Furor rührte auch daher, wie uneinsichtig der Chefredakteur der „Tagesschau“ auf die berechtigte Kritik reagiert hat. Es ist wichtig, weil sich die Lügenpresse-Rufer natürlich auf solche Dinge stürzen und sagen: Seht her, da führen die uns in die Irre. Oft haben diese Leute unrecht, zu oft haben sie recht. Und als Journalist ist es überhaupt nicht meine Aufgabe, ein solches Ereignis staatstragend groß wirken zu lassen.

Guter Journalismus heißt, möglichst genau zu sein. Deshalb ist es selbstverständlich zu berichten, dass die Staatsoberhäupter aus Sicherheitsgründen vom Rest getrennt waren. Und auch nur, damit kein Missverständnis aufkommt: Ich ärgere mich über Fehler grün und blau, besonders über meine eigenen, aber natürlich auch über die meiner Redaktion. Wenn Sie aber sehen, worum es bei dem Anschlag und nach dem Anschlag eigentlich ging, ist diese Sache ziemlich klein.

Ich glaube, dieser Fehlerfetischismus hat eine psychologisch entlastende Funktion: Wenn ich meine ganze Emotionalität, meinen ganzen Furor darauf richten kann, dass die „Tagesschau“ einen Satz nicht gesagt hat, dann muss ich mich mit dem viel wichtigeren Problem nicht mehr auseinandersetzen: Dass das ein Anschlag war auf unsere Zivilisation. Und dass der Westen auch herausgefordert ist, sich zu wehren. Das macht natürlich große Angst.

Ich schreibe doch keine Leitartikel. Mein Thema ist, wie die Medien berichten, und da fand ich das tatsächlich eine große, beunruhigende Sache. Hier zeigen die „Tagesschau“-Leute ein Selbstverständnis, das dem vermeintlichen Zerrbild der wüstesten Kritiker entspricht.

Ich glaube, die „Tagesschau“-Kollegen fanden das einfach nicht wichtig. Es handelt sich um einen handwerklichen, schnell korrigierten Fehler, der nichts Wesentliches verschleiert hat. Ich bleibe dabei: Für mich sind das symbolische Ersatzhandlungen.

Wenn es aber da eine erhebliche Zahl von Leuten gibt, die glaubt, dass Journalisten alle gekauft sind und mit den Mächtigen unter einer Decke stecken, ist es doch wichtig, ihnen nicht noch Munition zu liefern. Und zum Beispiel auch die Medienkritik nicht den Verrückten und Amateuren zu überlassen, sondern sich selbst kritisch und selbstkritisch damit auseinanderzusetzen, wie Medien berichten.

Es gibt ja nicht nur Bewunderer Ihrer Medienkunst, sondern auch Leute, die das wahnsinnig nervt.

Ach.

Was sie nervt, ist, dass Sie leicht reden haben. Sie müssen für nichts Verantwortung übernehmen, haben noch nie irgendeinen größeren Laden geführt, haben noch nie dafür sorgen müssen, dass viele Leute Geld verdienen.

„Ich mag keinen Rechthaber-Journalismus.“

Diesen Vorwurf kann man jedem Journalisten machen. Jeder Politikjournalist kann ganz leicht Frau Merkel erzählen, was sie tun sollte, und er sitzt da und musste auch noch nie ein Land leiten.

Lassen Sie uns nicht über Selbstverständliches reden, dass es unser Recht und unsere Pflicht ist, Politiker zu kritisieren und Machenschaften aufzudecken. Ich mag nur diesen Rechthaber-Journalismus nicht – ich erkläre jetzt dem Politiker, wie man richtig Politik macht. Das fördert allenfalls Verdrossenheit und führt dazu, dass die betroffenen Politiker selbst uns nicht richtig ernst nehmen, weil die Kritik oft so wohlfeil und weit weg ist von jeder Realität.

Rechthaber-Journalismus? Es fängt bei jedem Literaturkritiker an, da ist die leichteste Replik: „Schreib doch erstmal selber ein Buch!“ In dieser komfortablen Rolle bin ich als Journalist doch immer.

Ein Medienkritiker, der die Erfahrung macht, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen, wird in mancher Beurteilung vermutlich milder werden.

Wäre das gut oder schlecht?

Manches Urteil wäre gerechter. Der Kritiker ist ja auch eine Spezies für sich. Es handelt sich meistens um die empfindlichsten Menschen unter Gottes Himmel. Und ausgerechnet die teilen oft mit unfassbarer Härte aus! Ich habe nie verstanden, warum man einem Schriftsteller, der nichts anderes getan hat, als ein Buch zu schreiben, an dem er jahrelang gearbeitet hat, noch nachrufen muss: Sein Buch wirkt wie schlechter Sex! Warum man also persönlich verletzen muss, wo es doch reichte, das Werk schlecht zu finden.

Die meisten Kritiken, die ich lese, sind natürlich in Ordnung, aber neulich zum Beispiel hatten wir den Totalverriss einer Sängerin im Blatt. Nur weil einem von mir sonst sehr gemochten Redakteur diese Frau unsympathisch ist oder er ihre Musik nicht mag. Das ist auch ein gewisser Missbrauch von Macht. Wenn er die Frau nicht mag, ist das sein Problem. Da denke ich: Wenn Du’s selbst erleben würdest, würdest du nie so schreiben. Und ich muss leider auch sagen: Wenn man Medien als Betroffener so kennengelernt hat, fängt man an, den Medienbetrieb zu verachten.

Keine Frage.

Wo ich hingegen besonders engagierte und lautstarke Medienjournalisten erwarten würde, höre ich ohrenbetäubendes Schweigen.

Nämlich?

Zum Beispiel, als ein großes Blatt über mehrere Seiten Bilder zeigte vom BMW-Chef, der einen Schwächeanfall bekam und fiel. Gibt es denn niemanden mehr, der sich darüber aufregt? Oder als ein sichtbar angeschlagener, sich in Rekonvaleszenz befindender deutscher Bundesminister ein paar Tage Pause macht auf Mallorca und Reporter ihm auflauern wie einem Verbrecher oder Fahnenflüchtigen.

Da gab es schon Kritik.

Aber nicht auf den Medienseiten. Es gibt ja nach wie vor große Skandale und Verletzungen von Persönlichkeitsrechten. Und es gibt vor allem einen wahnsinnigen Widerspruch zwischen dem, was man propagiert, und dem, was man tatsächlich macht. Das wäre ein schönes Feld für die Medienseiten.

Sie haben gerade selbst Erfahrungen damit gemacht, als die Trennung von Ihrer Lebensgefährtin öffentlich wurde.

Als Sabrina Staubitz und ich uns kennenlernten, haben wir schon die ganze Pracht des Boulevards erlebt, mit Fotos, die in Hotels geschossen wurden, oder einer Titelgeschichte in „Bild“. Vor diesem Hintergrund – und angesichts der Tatsache, dass wir inzwischen ein Kind haben – hatten wir besondere Angst vor dem Bekanntwerden dieser Nachricht. Wir haben alles getan, um das dezent zu machen, die normalen Leute und die meisten Kollegen haben sich prima verhalten.

Aber dann nannte der „Spiegel“ in einer Fotounterschrift Frau Staubitz Ihre „damalige“ Lebensgefährtin.

Beim Festakt zu Helmut Schmidts 90. Geburtstag in Hamburg 2009; 2. v. l.: Sabrina Staubitz, damalige Partnerin von Giovanni di Lorenzo.
Ausriss: „Spiegel“ 47/2015

Ja, und das verstört mich nach wie vor – auch wenn sich die Chefredaktion entschuldigt hat: Dass nicht die „Frau im Spiegel“ uns geoutet hat, sondern der von mir so geschätzte „Spiegel“, ein justiziabler Eingriff in die Privatsphäre, ohne jeden Anlass. Wir mussten dann an die Öffentlichkeit gehen, so dass es jetzt jeder weiß. Wir haben unseren Anwalt eine Erklärung herausgeben lassen, die in zwei Sätzen den Vorgang bestätigt und bittet, die Privatsphäre zu respektieren.

„Sowas wie der Urologe und Gynäkologe.“

Was mir noch nicht klar ist: Warum soll Medienjournalismus so was Besonderes sein?

Na, diese Frage kann Stefan Niggemeier nun wirklich besser beantworten als ich. Medienjournalisten sind für unsere Branche sowas wie der Urologe und Gynäkologe. Niemand kommt uns sonst so nahe. Natürlich ist da ein Gefühl der Beklommenheit. Und ich glaube, vieles von dem, was wir im Medienjournalismus beschreiben, interessiert in Wahrheit nur Journalisten.

Aber wenn wir davon ausgehen, dass Medien wichtig sind und Macht und Einfluss haben, dann ist es doch auch richtig, sich kritisch damit zu beschäftigen, wie sie diese Macht nutzen. Wer außer Journalisten soll sich damit beschäftigen?

Machen Sie das. Aber lassen Sie mir die Freiheit zu sagen: Es gibt Dinge, die mir daran gefallen, und andere, die ich schrecklich finde.

Ich frage mich, warum Medienjournalismus einen solchen Makel hat. Nach 2001 sind viele Medienjournalisten abgeschafft worden, weil die Verlage gesagt haben: die Nachrichten, die uns gerade betreffen, sind so schlecht, die wollen wir nicht noch im eigenen Blatt lesen. Dazu kommt ein Dünkel, der Medienjournalismus als „Nabelschau“, „Selbstbespiegelung“ oder „Nestbeschmutzung“ verächtlich macht. Es gibt keine Selbstverständlichkeit, sich mit dem Thema Medien zu befassen wie mit Kultur, Politik, Sport. Können Sie mir das erklären?

(Lange Pause.) Ich überlege gerade, ob die Prämissen alle stimmen.

Das war jetzt eine Helmut-Schmidt-Pause.

Schmidt hat sich dabei noch weggedreht und gepfiffen, da fangen Sie schon an zu schwitzen und fragen sich, ob die Frage wirklich so schwachsinnig war …

Wenn ich die genannten Auswüchse von Medienjournalismus mal ausklammere, kann ich Ihnen nicht den Gefallen tun und sagen, ich finde Medienjournalismus nicht wichtig. Ich finde ihn wichtig.

Aber die „Zeit“ leistet ihn sich auch nicht.

Die Medienseite wurde vor meiner Zeit abgeschafft. Ich lege bis heute größten Wert darauf, dass wir Mediengeschichten machen und wir machen sie auch.

Glauben Sie, dass es eine Beziehungskrise gibt zwischen Publikum und Medien, eine Vertrauenskrise?

Ja, absolut. Aber sie ist Bestandteil von etwas anderem: Es gibt eine schwere Vertrauenskrise gegenüber Institutionen, denen man lange geglaubt hat. Da werden wir nicht wahrgenommen als diejenigen, die Eliten überprüfen – was wir de facto zum größten Teil tun – sondern als Teil dieser Elite. Wir haben auch Fehler gemacht, die jetzt auf uns zurückfallen, keine Frage.

Die Skepsis gegenüber Medien hat außerdem zugenommen, weil Leute denken, wenn sie im Netz etwas finden, sei das genauso glaubwürdig, wie wenn sie zum Beispiel die „FAS“ lesen. Ich habe zuletzt bei Abendessen der vermeintlich guten Gesellschaft erlebt, wie Leute erzählen, sie hätten das jetzt recherchiert im Netz: Angela Merkel sei beispielsweise Tochter von zwei Juden, habe einen unehelichen Sohn. Was darin für eine antisemitische Botschaft steckt! Frau Merkel und ihre Flüchtlingspolitik als Rache am deutschen Volk, das in seinem Kernbestand aufgelöst werden soll.

Insofern spielt die vermeintliche Souveränität, sich Quellen selbst zu erschließen, dabei aber nicht unterscheiden zu können, welche eine seriöse Quelle ist und welche nicht, mit Sicherheit eine Rolle.

Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln wurde besonders deutlich, dass ein größerer Teil des Publikums den Medien zutraut, nicht wahrheitsgemäß über unliebsame Ereignisse zu berichten. Hat Sie das überrascht? Besorgt Sie das?

Natürlich besorgt mich das, denn es ist ja auch unbegreiflich, dass ein Vorfall, der sich am Donnerstag in der Nacht ereignet hat, erst am Montag bundesweit bekannt wird, und vielleicht hätte das ohne die sozialen Netzwerke, wie zum Beispiel die Seite von Nett-Werk Köln, noch länger gebraucht. Hier haben aber auch Polizei und Behörden die Öffentlichkeit im Dunkeln gelassen.

Ist die Kritik – in diesem Fall und grundsätzlich – berechtigt? Gibt es tatsächlich eine Art „Schweigespirale“?

Auch nachdem die Ereignisse bekannt wurden, kam es zu verstörenden Fehleinschätzungen. Es gab eine große Zeitung, die noch am Dienstag über die furchtbaren Ereignisse auf ihrer vermischten Seite berichtet hat, und einen großen Fernsehsender, der am Montag noch gar nichts berichtet hatte. Das alles ärgert auch die Leute, die keine Hetzer sind. Man muss aber auch sagen: Gerade die Medien, die zunächst geschwiegen oder verharmlost haben, sind sich selbst korrigierende Systeme, die ihr Verhalten als Fehler erkannt und in den Tagen danach hervorragend berichtet haben.

„Es gibt inzwischen ein journalistisches Prekariat.“

Müssen Medien hilflos dem Vertrauensverlust zusehen?

Im Gegenteil, ich habe gerade unsere Redaktion sehr ermuntert, unsere Arbeit so transparent zu machen, wie es nur geht. Weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass sich Leute gar nicht mehr vorstellen können, dass wir beispielsweise für eine Geschichte fünfmal an einen Ort fahren.

hinterdergeschichte
Zwei Hintergrundkästen in der „Zeit“ 52/2015

Deshalb gibt es seit November unter größeren Geschichten in der „Zeit“ häufiger einen Kasten, der über die Entstehung des Artikels informiert.

Ja, und da zeigen wir auch Grenzen auf, Punkte, an denen wir nicht weitergekommen sind. Aber neben dem Aufwand, den Qualitätsmedien betreiben, gibt es eine andere Realität: Es gibt inzwischen ein journalistisches Prekariat, das nach Akkord bezahlt wird. Das macht Reiseberichte und Hoteltests, ohne je im Land gewesen zu sein, nur aufgrund dessen, was sie auf die Schnelle im Netz finden. Dennoch haben auch wir sicher Defizite, die in Teilen etwas mit Hochmut zu tun haben, manchmal auch nur mit Scham, mit kleinen und großen und Fehlern gelassen umzugehen. Und aus kleinen Fehlern werden so hin und wieder Katastrophen.

Müsste nicht eine Konsequenz daraus sein, den Umgang mit Fehlern und Kritik zu institutionalisieren; zum Beispiel einen Ombudsmann als Ansprechpartner für Leser einzurichten?

So jemand wäre für mich eine enorme Arbeitserleichterung, weil ich jede Woche eine Unmenge von Briefen bekomme und versuche, alle zu beantworten. Andererseits glaube ich, dass die Leute ganz froh sind, wenn der Chefredakteur das nicht delegiert.

Die Ombudsfrau der „New York Times“ ist ein hervorragendes Beispiel, wie sich sowas öffentlich unter Rückgriff auf moderne Kommunikationsformen schaffen ließe.

Ich kann mir vorstellen, dass das ein interessantes Modell auch für uns ist. Es gibt – neben vielen zustimmenden Rückmeldungen – zwei Sorten von Kritik, die uns erreichen. Zum einen die Kritik von unseren Lesern, die zum Teil auch im Ton schärfer geworden ist. Zum anderen die Flut von wahnsinnig unflätigen Mails, denen man anmerkt, dass die Verfasser die „Zeit“ gar nicht kennen. Dass man diese Menschen überzeugen kann von der großen Qualität unserer Medien, das glaube ich kaum. Da unterscheiden wir uns: Sie glauben, dass man jeden überzeugen kann.

Nein, aber ich glaube, dass Journalisten durch schlampige Arbeit, systematische Versäumnisse und fehlende Selbstkritik auch selbst schuld daran sind, dass viele Menschen ihnen nicht trauen.

Es gibt jedenfalls auch ganz vernünftige Zeitgenossen, die glauben, dass wir alle unter einer Decke stecken, weil wir so konformistisch urteilen. Wir stecken nicht unter einer Decke, es gibt keine Achse Aust-Döpfner-Schirrmacher mehr, die auch weit weniger mächtig war als sie dargestellt wurde. Aber die Konformität unserer Urteile ist riesig. Und das ist nicht nur oft falsch in der Sache, es schadet uns auch.

Jetzt haben Sie eigentlich nur den Begriff der „Medienmeute“ umschrieben.

Nein, den will ich auch nicht verwenden. Ich bin nämlich auf der anderen Seite von unseren Medien in Deutschland überzeugt. Dass wir fantastische Autoren haben, unabhängige Qualitätsmedien, die nicht, wie in Italien, Industrieunternehmen oder Finanzinvestoren gehören, die direkt ins Blatt reinredigieren. Wir haben auch im Großen und Ganzen einen guten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, trotz seiner zunehmenden Quotengeilheit und gelegentliche Effekthascherei, die auch mir oft auf den Geist geht. Wenn man aber wie Sie einen Fehlerfetisch hat …

… gar nicht …

… überschattet der alles, was gut ist, und wovon Sie, mit allem Respekt, ja auch leben.

Journalismus ist aber doch immer getrieben von Kritik. Wir schreiben, wenn etwas nicht funktioniert, wenn es Ärger und Skandale gibt.

Aber bei der Medienkritik ist es doch oft nur ein Hickhack unter Kollegen, wo man sich fragt: Wie kommst ausgerechnet DU zu dieser Kritik? Wenn die „FAS“ oder die „SZ“ der „Zeit“ vorwerfen, dass ein Titelthema „weich“ war, könnte ich umgekehrt zehn Titel der lieben Kollegen nennen. Das ist scheinheilig, da erkenne ich nicht den geringsten Aufklärungswert.

Auch deshalb versuchen wir, uns mit übermedien.de unabhängig von den Verlagshäusern zu machen.

Ich empfinde die Medienkritik in Deutschland besonders schwach in der Beurteilung von Fernsehen. Ich kenne nur wenige Medienprintjournalisten, die wirklich verstehen, wie Fernsehen funktioniert und seien es auch nur Talkshows.

„Der Konformitätsdruck wird durch das Netz verstärkt.“

Jetzt sind Sie aber so pauschal, wie Sie’s mir sonst vorwerfen. Sie haben die große Konformität der Medien kritisiert. Wie erklären Sie sich die?

Ich glaube, unser journalistisches Personal ist zu einheitlich sozialisiert. Die Milieus sind zu ähnlich. Wenn Redaktionen neue Leute holen, holen sie jemanden, „der zu uns passt“.

Außerdem – das wird Sie vielleicht jetzt provozieren – wollen wir bei der Beurteilung auf der richtigen Seite stehen. Man stellt sich nicht so gerne gegen den Rest, denn dann kriegt man selbst ein paar Spritzer ab. Das finde ich verheerend, und dazu kommt eine Realität, die Sie wahrscheinlich leugnen werden, dass nämlich der Konformitätsdruck noch verstärkt wird durch das Netz. Bei der unseligen Ein- und Ausladung von Xavier Naidoo – das ist jetzt reine Phantasie von mir – saßen die NDR-Leute irgendwann mal im Leitungsgremium und herein kam ein Typ mit Hornbrille, Ende 30, und hat gesagt: Habt ihr mitbekommen, was da im Netz passiert? Rette sich wer kann!

Da musste gar keiner reinkommen und vom Netz da draußen berichten. Der Aufstand im NDR selbst war groß genug.

Es musste aber das Gefühl dazukommen, dass eine große Volksbewegung entsteht. Dann wird es richtig massiv.

Es gibt einen Markt für Hinrichtungen. Der hat einen gewissen Kitzel, er ist attraktiv. Nehmen Sie den Umgang mit Christian Wulff oder die Beschädigung von Peer Steinbrück. Die hatten nach der Jagd auf sie doch keine Chance mehr. Das finde ich auch demokratietheoretisch schwierig. Wir dürfen Politiker nicht kaputt schießen, noch bevor sie sich zur Wahl stellen, und so den Wähler entmachten.

Das ist doch alles ein Plädoyer für eine gute Medienkritik.

Wenn sie es denn tut! Bei Wulff und Steinbrück war meist nur Schweigen im Walde. Wir gehörten zu den wenigen, die den Umgang mit Steinbrück auf der Seite Eins scharf verurteilt haben. Damit handeln Sie sich keinen Candystorm ein.

„Die Gemeinheit der Angriffe hat zugenommen.“

Sie behaupten, dass Journalisten sich von der Angst vor einem möglichen „Shitstorm“ einschüchtern lassen. Aber den muss ich doch aushalten.

Wir haben eine junge Kollegin, die immer wieder in Krisengebieten unter Lebensgefahr gearbeitet hat. Einmal ist neben ihr eine Granate eingeschlagen. Das hat sie verkraftet. Aber als wir sie gefragt haben, ob sie nicht einen Leitartikel schreiben mag, hat sie gesagt: Lieber nicht. Wegen dieser Hasswellen, die mich dann erreichen. Das macht mir Sorgen.

Als ich bei „Günther Jauch“ in größter Arglosigkeit bekannt habe, zweimal gewählt zu haben, gab es bekanntlich ein paar Tage heftige Aufregung. Als ich schon dachte, die Sache wäre durch, stand eine Aufzeichnung von „3 nach 9“ an, wir sollten gerade ins Fernsehstudio geführt werden, und der Redaktionsleiter sagte: Wir müssen die Aufzeichnung leider verschieben, es gibt eine Bombendrohung gegen dich. Die Polizei rückte an. Und da fing es an, persönlich zu werden, deiner Familie richtig Angst zu machen.

Sie sehen einen Zusammenhang zwischen dem Hundertsten, der auf Twitter sagt: „Was für ein Idiot“ und jemandem, der anruft und sagt, wir haben eine Bombe versteckt?

Du kannst das nicht trennen. Die Intensität und die Gemeinheit der Angriffe haben zugenommen und sie wecken niedere Instinkte. Besonders schlimm finde ich es, wenn gute Medien für ein paar lumpige Klicks oder ein paar verkaufte Ausgaben am Kiosk mehr ins selbe Horn stoßen, statt sich diesem Irrsinn entgegenzustellen. Dann wünsche ich mir Stefan Niggemeier herbei.

46 Kommentare

  1. Nicht der Medienjournalismus ist schädlich, auch nicht Fehler, die Journalisten machen – sondern die Tatsache, dass sie nicht mit offenen Karten spielen, Fehler eher abbügeln als aufklären und kaum in einen echten Dialog mit ihren Lesern/Hörern/Zuschauern treten. In einer Zeit, in der, wie di Lorenzo richtig erkennt, Nutzer sich ihre eigenen Wahrheiten zusammensuchen, müssen Journalisten erst recht zeigen, woher sie ihre Informationen haben und warum sie sich für ihre Darstellung entschieden haben.

  2. di Lorenzo ist viel zu sehr neben der restlichen Welt angesiedelt, um für Sachen in der Welt reden zu können, er nimmt sich schlicht zu wichtig. Er verdient halt gut, aber der unverschämte Satz, in München brauche man doch 100.000,00 €, um Leben zu können, der beleidigt halt den Großteil der Münchner, die sich da fragen müssen, wie sie überleben können. Und das ist nur ein Beispiel, er ist einfach zu arrogant, und das hört man auch aus seinen ganzen Äußerungen.

  3. Warum Medienkritik? Weil die Leute nicht verstehen, weshalb die Medien zwar alle und alles kritisieren, nur sich selbst nicht. Ohne Kritik wird weder Verständis, noch Vertrauen bei den Lesern zurückzugewinnen sein. Wer als Journalist befürchten muss, auch mal ins Kreuzfeuer der eigenen Zunft zu geraten, hält sich mit Häme, Nachtreten und übler Nachrede etwas mehr zurück und konzentriert sich auf das eigene Tun, nämlich sachlich, ohne Vorurteile und engagiert zu informieren. Das würde ich mir wünschen … auch von „Übermedien“.

  4. Neben der allgemeinen Arroganz von Chefredakteuren stört mich an der Sichtweise di Lorenzos, dass er Medienkritik anscheinend nur als negative Kritik wahrnimmt, als Nestbeschmutzung. Dass es sich dabei vielleicht um ein Korrektiv handeln könnte, das den Journalismus allgemein qualitativer macht / machen kann, wird dabei völlig ignoriert. Die Zeit, etc. profitieren doch nur davon, wenn jemand wie SN hingeht und -for free- deren Artikel korrigiert oder die Artikel anderer z. B. schlechter Recherche überführt. Daurch kann (muss nicht) ein besserer Standard entstehen. Man muss das Potential auch sehen wollen.

    Bedenklich finde ich, dass Medien nach di Lorenzos Auffasung anscheinend kein Gegenstand medialer Betrachtung sein kann, zumindest nicht unter gleichen Voraussetzungen, wie andere Themenbereiche.
    „Ein Medienkritiker, der die Erfahrung macht, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen, wird in mancher Beurteilung vermutlich milder werden.“
    – „Wäre das gut oder schlecht?“
    Er beantwortet die Frage nicht. Er weicht aus, weil er weiß, dass es „milde“ Kritik nicht gibt. Ich kann nicht etwas kritisieren und gleichzeitig „Sorry du, ich weiß wir sind selbe Branche, daher piss‘ ich dir mal lieber nicht ans Bein.“ sagen. Gerade deswegen sind m. E. sachliche Medienkritiker wie SN so wichtig.

    Wo ich di Lorenzo absolut recht geben muss:
    „Ich glaube, unser journalistisches Personal ist zu einheitlich sozialisiert. Die Milieus sind zu ähnlich. Wenn Redaktionen neue Leute holen, holen sie jemanden, „der zu uns passt“.“
    Jep. Aber bitte keinen Franz-Josef Wagner.

  5. Zumal, Max (#5), Medienkritik ja durchaus auch und gerade von den Journalisten geübt sind, die auch über andere Themen schreiben. Ich zum Beispiel sehe ich mich nicht hauptsächlich als Medienjournalist, sondern berichte in erster Linie übers Zeitgeschehen. Gerade aus dieser Position heraus kann ich doch sogar viel besser Fehlentwicklungen kritisieren, weil ich weiß, wie sie zustande kommen. Oft sind es nämlich Strukturen, die dazu führen, und die kann man ändern. Man muss aber auch dazu bereit sein, was di Lorenzo offenbar nicht ist. Zugleich versuche ich natürlich, in meiner eigenen Arbeit besonders die Fehler zu vermeiden, die ich bei anderen anprangere, ohne garantieren zu können, dass sie mir nicht auch unterlaufen.

  6. @ Stefan Fries: „Zugleich versuche ich natürlich, in meiner eigenen Arbeit besonders die Fehler zu vermeiden, die ich bei anderen anprangere, ohne garantieren zu können, dass sie mir nicht auch unterlaufen.“

    Genau so sagt es ja auch di Lorenzo:
    „Ich sage: blöd, ärgerlich, aber leider unvermeidlich, so sehr man sich auch müht – wer macht, macht Fehler.“

    Di Lorenzo gesteht Ihnen als Medienkritiker anscheinend diese Fehler nicht zu.
    Seine weiterführende Antwort: „Sie machen oft eine Systemfrage daraus, schreiben von „Mainstreammedien“ oder der „Medienmeute“.“
    „Oft“ bedeutet so ziemlich gar nichts. Das ist nur sein subjektiver Eindruck.
    Allgemein kritisert er subjektiv die Subjektivität des Medienkritikers an sich.
    Irgendwie ironisch.

  7. Eine Sache möchte ich noch los werden (ja, ich nerve):
    Ich darf die Zeit nicht kritisieren, weil ich die Zeit „nicht ausreichend genug kenne“?

    Zitat:
    „Zum anderen die Flut von wahnsinnig unflätigen Mails, denen man anmerkt, dass die Verfasser die „Zeit“ gar nicht kennen.“

    Diesen Hybris nehmen die „Prinzessinnenreporter“ übrigens sehr gut auf die Schippe. Dort werden grundsätzlich nur die Kommentare von „Qualitätslesern“ freigeschaltet.

    Ich vermute, di Lorenzo will auf Lüschenbrässä-Zuschriften anspielen, verallgemeinert das dann aber so, als ob man erst nach 3 Jahren Zeit Abo zu einer Meinung fähig wäre, bzw. diese erst dann öffentlich äußern dürfe.
    Womit wir wieder bei der Bevormundung des Lesers wären und damit auch dem Lüschenbrässä-Vorwurf.

  8. „In erster Linie stellt er sich gegen den Mainstream und ist oft sehr lustig. “

    Der war gut Herr di Lorenzo:

    Russland, die Ukraine und die Linkspartei
    „Ich verstehe die Linke nicht“
    23.03.2014 19:23 Uhr, von Harald Martenstein
    Außerdem – wenn Russland das Recht dazu hat, die Krim zu schlucken, darf morgen Österreich Südtirol besetzen.
    http://www.tagesspiegel.de/meinung/russland-die-ukraine-und-die-linkspartei-ich-verstehe-die-linke-nicht/9656684.html

    Eine Sezession, noch dazu legitimiert durch eine Volksabstimmung, auch wenn eine solche Volksabstimmung einige Demokraten im Westen für gefährlich halten, ist keine Annexion. Eine Annexion ist eine gewaltsame Aneignung.
    Der Kosovo hat „sich“ nur durch einen Parlamentsbeschluss abgespalten. D.h. völkerrechtlich gesehen, hatte da das Volk überhaupt nicht mitgewirkt. Wenn es hier völkerrechtliche Bedenken geben könnte, dann dort.

  9. Kommt Ihnen das Herr di Lorenzos nicht irgendwie bekannt vor ?
    Das geschah im vergangenem Jahr tausendfach mit Leserkommentaren, die nicht auf Ihrer Hauslinie waren. Man entfernt, vernichtet lässt nicht zu Wort kommen. Sperrt Accounts. Dabei sind Sie doch auf Worte angewiesen. Sie brauchen sie, wie die Luft zum Atmen. Dabei bekomme ich jede Woche die Bitte DIE ZEIT zu abonnieren. Einfach Herzzerreißend. Dabei werde ich und tausende andere Kommentatoren regelmäßig mit den folgenden Worten ……..
    ………Entfernt. Bitte verzichten Sie auf unangebrachte Vergleiche. Die Redaktion/sg
    Entfernt, undifferenziert. Die Redaktion/fk
    Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
    Entfernt. Bitte belegen Sie Behauptungen mit glaubwürdigen Quellen. Die Redaktion/ca
    Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
    Entfernt. Bitte weichen Sie nicht zu stark vom Thema ab. Die Redaktion/sg
    Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
    Verzichten Sie bitte auf Polemik und krude Theorien. Die Redaktion/fk.
    Entfernt. Bitte verbreiten Sie keine Vorurtiele. Die Redaktion/sg
    Entfernt, da pauschalisierend. Die Redaktion/ca
    Entfernt. Bitte argumentieren Sie themembezogen. Danke, die Redaktion/dm
    Entfernt. Bitte beteiligen Sie sich nur, wenn Sie einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion leisten möchten. Wir wünschen uns eine differenzierte Diskussion von Argumenten. Danke, die Redaktion/dm
    Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
    Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Die Redaktion/sg
    Entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema des Artikels. Danke, die Redaktion/dd

    Vielleicht liegt es auch daran das sich die Auflage im Sinkflug befindet. Denn wenn sich der Leser mit seinen Problemen und Kommentaren nicht wiederfindet, warum sollte er dann eine die Zeit-ung kaufen.

  10. Dem Zwang, immer eine Meinung haben zu müssen, sollte man nicht immer nachgeben.
    Man nennt es auch, den Troll nicht füttern.
    Es wird immer Menschen anderer Meinung geben, und sei sie auch noch so verrückt.
    Ich empfehle bei Kritik um der Kritik wegen (und nichts anderes machen Medienkritiker zur Zeit) einfach zu ignorieren. Man spart Energie und abseits des üblichen Publikums interessiert es sowieso kein Sau.

  11. Kritiker sollten sich und ihre Mission nicht ÜBER ANDERE/ANDERES stellen, sie sollten die satirediktatorischen Tendenzen unserer Zeit möglichst nicht bedienen u weniger selbstentlarvend auf die Tube drücken, sie sollten mehr Zen praktizieren.

  12. Als stets um differenzierte Betrachtung bemühter Mensch mit zwanghaftem Grundcharakter kann ich den Medienkritiken von Herrn Niggemeier zwar oft inhaltlich und emotional folgen, finde sie manchmal allerdings auch übertrieben anprangernd und finde dann Entspannung in den folgenden Liedzeilen der Band „Der Mann“: „Menschen machen Fehler, Menschen machen Fehler, und das ist immer ein guter Grund, schlecht drauf zu sein“.

  13. „Wir stecken nicht unter einer Decke, es gibt keine Achse Aust-Döpfner-Schirrmacher mehr, die auch weit weniger mächtig war als sie dargestellt wurde. “
    Wie mächtig war denn nun das, was es nicht gab.

  14. @G. Nosse: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. „…. es gibt keine Achse Aust-Döpfner-Schirrmacher MEHR…“

  15. Wenn ich für mich einmal die große Linie unter dieses Interview ziehe, das Kleinklein weglasse, dann lese ich einen Diskurs zwischen zwei Vollblutjournalisten – jeder auf seiner Seite – die eine Haltung haben, eine ehrenwerte. Sicher, diese muss sich im journalistischen Alltag eines Einzelkämpfers und eines großen Redaktionsapparates stets beweisen. Aber genau diese Haltung vermisse ich zunehmend in vielen Medienunternehmen und -anstalten, bei Medienmarken und auch bei Journalisten, die anstelle der Haltung nach Reichweite gieren.

  16. Bitte auf das Hauptwerkzeug der Journalisten achten, die Sprache. Begriffe werden in den hauseigenen Medien besprochen (lt.DLF-Deutschlandfunk).
    Gegenwärtig ist „Fehler“ beliebt, klingt nach“ Mist gemacht in der Mathe-Klausur“, versteht jeder, kann mal passieren. Das anfängliche Verschweigen von „Köln“ durch das ZDF war nicht „Fehler“, es war Absicht, der IRAK-Krieg war kein „Fehler“, es war vorsätzlicher völkerrechtswidriger Massenmord.
    Künftig gibt es „konstruktiven Journalismus “ (Bericht des DLF), auf deutsch: Schönfärberei.
    Ich hatte „Zapp“ geschrieben, dass sie bei einem Bericht über eine verhaftete (nicht das ich das für richtig halte) chinesische Helferin für die „Zeit“ vergessen hatten, dass die Dame „schwarz“ gearbeitet hat
    (in BRD kontrolliert das der Zoll mit Waffe). Antwort „Zapp“: diesen Fakt wollte „Zeit“ nicht benannt haben !
    „Lügenpresse“ist verharmlosend, bringt Medien inOpferrolle. „Die schlimmsten Lügen sind Halbwahrheiten“ , jüdisches Sprichwort, (gelernt im DDR-Staatsbürgerkundeunterricht !), bestätigt durch einen leitenden Angestellten des DLF als Sollbruchstelle/Achillesferse der Medien (Name nenne ich natürlich nicht, sonst geht es ihm so wie dem EX-ZDF-Indentant durch EX-MP Koch).
    Also: „Halbmedien“ statt Lügenpresse.
    Einfachste Begründung: „…wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing…“., egal ob privat oder „öffentlich(?)“-„rechtlich (?)“.
    Graf Lambsdorff im DLF (wegen Polen): „…das man seine Mehrheit in Rundfukräten nutzt, um seine Leute durchzusetzen, kennen wir auch in Deutschland…

  17. „In erster Linie stellt er sich gegen den Mainstream und ist oft sehr lustig.“

    Nein, Herr di Lorenzo, das tut er nicht und um das zu erkennen, würde ein Blick auf die politischen Mehrheiten in Kreuzberg im Vergleich zum Rest der Republik reichen oder der in eine Statistik, die besagt wie viele Menschen sich selbst als „feministisch“ bezeichnen.

    Es geht mir so wie Stefan Niggemeier – ich finde auch nicht alle Initiativen usw. toll, die Harald Martenstein als „Political Correctness“ kritisiert. Aber mit dem hier vollkommen unzutreffenden Begriff des „Mainstream“ unterstellen Sie, er wäre eine Außenseiterstimme gegen die herrschende Meinung und als wären z.B. die Menschen in der Mehrheit und „Mainstream“, die sich Profesix o.ä. nennen lassen wollen oder es auch nur Wert finden, sich mit den Argumenten dieser Person sachlich auseinander zu setzen (mit welchem Ergebnis auch immer), statt sie einfach nur lächerlich zu machen. Wenn Harald Martenstein sich in seinen Kolumnen so geriert, ist das eine Sache (vielleicht sogar eine, der man entspannter begegnen kann, als Herr Niggemeier ), aber wenn sie Herr di Lorenzo als Chefredakteur eine solch verzerrte Darstellung verbreiten, wird mir Angst und Bange.

  18. Die Lorenzo sagt etwas über die Sozialisierung innerhalb von Redaktionen und das diese zum Konformismus beitrage. Insbesondere DIE ZEIT legt aber auch einen Sozialisierungs-Konformismus an ihre Leserschaft an, die mich letztendlich dazu bewogen hat, das Abo zu kündigen. Das hatte nicht mal mit Kritik an einer bestimmten Berichterstattung zu tun, sondern dem Dünkel, der einem spätestens im ZEIT MAGAZIN entgegen schlägt.
    DIE ZEIT mag in ihrem Selbstverständnis ein Eliten-Blatt zu sein, nur deswegen gehört nicht jeder Leser dieser Elite an.
    Wer nicht mindestens ein Erasmus-Jahr im Studium absolviert hat, kein Dry-Aged-Beef isst und sich von seinem üppigen Jahresgehalt nicht mal eine Philippe Patek-Uhr leisten kann, um dennoch mit spätestens 42 den Neuanfang als Filztaschen-Designer zu versuchen, der scheint den Machern der ZEIT suspekt.
    Wer so dünkelhaft und borniert in seiner eigenen anormalen Wirklichkeit verharrt, der hat auch kein Verständnis für Kritik. Denn er bemisst die Welt an sich selbst und nicht an (möglichst) objektiven Kriterien.

    Ich weiß, dass war jetzt keine fundierte Medienkritik, wie sie übermedien.de hoffentlich etablieren wird können, sondern einfach mal ein beleidigter Einwurf auf ein erneut arrogantes Auftreten von GdL.

    Dir, Stefan, und dem Team wünsche ich viel Erfolg beim Start dieses Projekts, denn auch als Fachfremder habe ich ein hohes Interesse an guter und gut begründeter Medienkritik. Und ab und zu was zum ESC darf auch sein. ;)

    PS: kleines Schmankerl zum Schluss: die 20Uhr- Tagesschau vom 14.01. eröffnete den Beitrag zur Diskussion im nordrhein-westfälischen Landtag mit “ Schnell noch ein Bonbon, damit die Stimme kraftvoll ist….“
    und endete mit den ARD(sic!)-Gewinnern des DFP16.
    Herr di Lorenzo hält solche Auffälligkeiten ja für Korinthenkackerei, ich empfinde Sie als kleines Zeichen einer großen Schwäche, nämlich Distanzlosigkeit.

  19. Das war jetzt der erste Artikel, den ich jetzt lesen konnte und wenn das Niveau der Artikel/Interviews auf diesem Level bleibt, bleibt mein Abo sicherlich lange aktiv.

    Einfach mal Argumente beider Seiten zu hören und zu bewerten – mir zumdst. hat es neue Erkenntnisse vermittelt. Und so soll es ja sein.

    In diesem Sinne – weiter so.

  20. So lange Die Zeit kein Problem damit hat, weiterhin Joffes und Bittners völlig einseitige und tendenziöse Artikel abzudrucken, so lange habe ich ein Problem mit der Zeit. Und ich denke und hoffe, dass es nicht nur mir so geht.

  21. Ah, und aber mal ein richtig guter Zug wäre (ohne die Hintergründe zu kennen, weswegen das nicht der Fall ist), wenn die Kolumne von Thomas Fischer auch in der Print-Zeit auftauchte.

  22. Ein gutes, kontroverses Interview. Die Argumente sind ausgetauscht. Zwei Journalisten die eine Haltung haben und die sich gegenseitig mit Respekt begegnen. So etwas braucht die Disskussionskultur in Deutschland.

    Wir brauchen Medienkritik ganz klar, wir brauchen aber auch Medien wie Die Zeit. Medienkritik soll dafür da sein, Medien zu verbessern und nicht zum Selbstzweck.

  23. Ein sehr schönes Gespräch, wenn auch di Lorenzo nicht immer auf alle Fragen oder Vorwürfe eingeht. Dennoch kann man ihm in einigen Punkten durchaus zustimmen.
    Gerade die Beispiele Naidoo oder Steinbrück sind doch exemplarisch wie sehr es eben doch eine Meute gibt, die durch das Netz angetrieben wird. Eine konstruktive Medienkritik wäre hier dringend nötig.

  24. Die wesentliche Zielgruppe des Medienjournalismus sind doch wohl die Medienkonsumenten – Leser, Zuschauer, Hörer_innen. So wie hoffentlich kein anderer Feuilletonist ein Buch für dessen Autor rezensiert („ums ihm mal so richtig zu zeigen“), sondern ausschließlich für potentielle Buchkäufer bzw. Literaturinteressierte insgesamt. Medienkritik geschieht m.E. nicht für die Medien (von den Insider-Diensten abgesehen), sondern eben für die Mediennutzer. Daher sind Medienjournalisten auch kaum Medien-Urologen – denn zum Arzt geht man bislang (bis auf wenige, höchst fragwürdige Ausnahmen) freiwillig – sie sind nicht der TÜV -, Medienjournalisten sind ganz normale Journalisten, die Fragen stellen und darauf Antworten suchen, ob sich das Objekt daran nun beteiligt oder nicht.

    Die viel kleinere Zielgruppe der Medienschaffenden selbst gilt sicherlich vielen als besonders attraktiv (weil man da auch die wichtigen Leute vermutet) – doch sie verweigert ganz überwiegend das Gespräch. Wer in Verlagshäusern und Sendeanstalten recherchiert, stößt überwiegend auf kalte Schultern. Ein wunderbares Interview wie dieses hier oben lockt kaum mal einen Ressortleiter aus der Reserve. Selbst da, wo die eigenen Angebote zur Diskussion gestellt werden – etwa auf Facebook oder in einem eigenen Forum wie bei Spiegel.de – beteiligt sich nur äußerst selten der Autor eines diskutierten Beitrags, meist übernimmt das, sofern überhaupt eine Reaktion kommt, ein „Community-Manager“.

    Soll Medienjournalismus den Journalismus an sich verbessern? M.E. hat er das gar nicht in der Hand. Er ermöglicht ein Gespräch über Journalismus – damit macht dann wie üblich ein jeder was er mag.

    Daher ist der Titel dieses Angebots hier doch sehr treffen: ÜBER Medien – und nur manchmal, wenn sich jemand dazu herablässt, auch MIT Medien.

  25. Ich bin, ehrlich gesagt, ein bißchen erschüttert über Herrn dL. Einem Politiker würde man solches Lavieren um die Ohren hauen.

    Beispiel 1: Er beschwert sich über anonyme „Latrinengerüchte. Aber wie bekommt denn das Politikressort einen Gutteil seiner Infos, wenn nicht anonym?
    Was für Politik in Ordnung ist, darf man bei den armen Zeitungen aber auf gar keinen Fall machen, oder? Und dieser doppelte Standard zieht sich durch das ganze Interview.

    2. Er beschwert sich über Häme Aber was macht denn Martenstein, was haben den Hansen und Tenenbaum gemacht, was durchzieht praktisch jeden Artikel über, besser gegen die Staatsfeinde (Linke, Griechen, Russen)?

    3. Und Martenstein. Nein, ich will mich nicht aufregen, aber soviel: Wenn man die großen Medien für „linksgrünen Mainstream“ hält und bei Pegida oder PI News mitmacht, dann ist Martenstein antikonformistisch. Aber nur dannn.

    4. Rechthaberjournalismus stört ihn? Warum hat ihn dann nicht die Hetze gegen GR (oder die gegen GdL, also die Gewerkschaft) gestört?

    Und zuletzt? Wann ist GdL dann doch mal medienkritisch? Wenn ein BMW- oder CDU-Großkopferter (ausnahmsweise) mal schlecht wegkommt.

  26. Ich habe das Gefühl, dass Herr di Lorenzo verkennt, dass für Journalisten, die die Zwänge ihrer täglichen Arbeit erleben, gerade diese Zwänge und ggf. der Kampf dagegen im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stehen. Jeder kleine Widerstand gegen diese Zwänge – finanzielle, psychologische, wie das Verlangen, gemocht zu werden – wird als Erfolg erlebt. Für mich als Leser ist jedoch allein das Endprodukt entscheidend. Wenn ich ein Auto kaufe, ist für mich unerheblich, ob der Hersteller großen Kostendruck erlebt, die Belegschaft unzufrieden ist usw. Ich bewerte die Qualität des Autos nicht relativ zum damit verbundenen Herstellungsaufwand.
    Medienkritik darf daher gerade auch nicht zu große Rücksicht auf diese Zwänge nehmen, sonst richtet man sich als Journalist zu leicht darin ein. Sie muss natürlich die Grenzen dessen beachten, was Journalismus grds. zu leisten in der Lage ist. „Falsche“ Meinungen dürfen daher nie Gegenstand solcher Kritik sein.
    Der entscheidende Unterschied zum Auto liegt beim Journalismus allerdings darin, dass das Produkt nie fertig ist, weil ich ja täglich auf „neuen“ Journalismus zurückgreife und nicht – wie bei einem Auto – auf einmal hergestellte Artikel (auch wenn mir das gelegentlich so vorkommt). Nicht der einzelne Artikel entscheidet, sondern der fortlaufende Prozess der Herstellung von Nachrichten. Anders als bei einem Auto wird daher der Herstellungsprozess zum Teil des zu bewertenden Produkts, wenn er offengelegt wird und mit Fehlern aktiv umgegangen wird. Ich denke, Journalisten müssen verstehen, dass ihr Produkt sich verändert, wenn es sich selbst thematisiert. Es verändert sich in einer Weise, die es mir als Leser ermöglicht, anderes mit in meine Bewertung mit einzubeziehen. Neben dem Artikel sehe ich den Prozess, der mir auch in Zukunft noch Nachrichten bescheren wird. Das gestattet mir, den einzelnen Artikel besser zu verstehen und einzuordnen. Es ändert aber nichts daran, dass auch der einzelne Artikel hohen Ansprüchen genügen sollte, wenn es sich um ein „Qualitätsmedium“ handelt. Selbstthematisierung darf keine andauernde Entschuldigung für Versagen im Einzelfall sein.

    Mir fällt übrigens bei der Zeit – ich meine seit nach dem Germanwingabsturz – auf, dass offener mit dem eigenen Produkt umgegangen wird. Ich bin nicht Abonnent der Zeit, gelegentlich aber auf zeit.de.

  27. Was die „Zeit“ von ihren Lesern (bzw. allen Nicht-Journalisten) hält, erfährt man aus diesem aktuellen Text über die Übermedien-Seite:
    „Für differenzierte, ausgeglichene Medienkritik interessieren sich eigentlich nur Journalisten. Das könnte sich als Vorteil erweisen. Auch über das Bewusstsein, dass man für gute Texte Geld bezahlen muss, während man Schadenfreude und Schmähungen an jeder Ecke kostenlos hinterhergeworfen bekommt, verfügen am ehesten Journalisten.“ Klar, und für differenzierte, ausgeglichene Politik-Berichterstattung interessieren sich bekanntlich nur Politiker. Und für Filmkritiken nur Regisseure…
    http://www.zeit.de/kultur/2016-01/uebermedien-niggemeier-medienkritik

  28. den inhalt der argumente kann man auf wenige worte runterbrechen: „austeilen aber nicht einstecken können“. da dies wiederrum typisch deutsch ist, ist hier offensichtlich die integration gut gelungen ;-)

  29. Sehr geehrter Herr Niggemeier, mal ehrlich, ich denke, Sie können das besser. Schon mit der Einleitung haben Sie ja eigentlich schon die Fronten abgesteckt und mir als Leser die Unvoreingenommenheit genommen, das Interview wertneutral zu lesen und mir mein eigenes Bild zu machen, wie Sie und Herr Lorenzo etwas gemeint haben könnten. So lege ich jedes von Ihnen und Herrn Lorenzo gesprochene Wort auf die innere Goldwaage mit dem Verdacht, der meint das jetzt ablehnend, bzw. Sie provozierend. Ich dachte, Sie wollten dem Leser ein neutrales Portal bieten. Gar nicht so einfach, gell?

  30. @Stefan: Sie meinen, wenn ich Giovanni di Lorenzo frage, ob er nicht zum Start von übermedien.de seine Kritik an mir in einem Interview formulieren will, gerne auch scharf, dann wollen Sie über diese Umstände des Gesprächs lieber nicht informiert werden? Und was hat das mit Neutralität zu tun?

  31. Ich meine die Einleitung. Und ja, ich habe das Interview gelesen.

    „Er hat sich vorbereitet. Zum Gespräch in einem Berliner Fünf-Sterne-Hotel hat Giovanni di Lorenzo eine Mappe mit Material mitgebracht, Aufschrift: „Niggemeier“. Wir sind verabredet, um uns zu streiten. Der „Zeit“-Chefredakteur ist kein Fan meiner Arbeit, und auch kein großer Freund von Medienjournalismus. Fast zwei Stunden reden wir, aber auch dann ist er noch nicht durch mit seiner Kritik der Kritik. Weitere Punkte wird er später per Mail nachreichen.“

  32. Da gibt es wohl ein Missverständnis. Wie kann ein kritisches Portal neutral sein? Schon mal eine neutrale Theaterkritik gelesen, einen neutralen Politikkommentar gehört?

  33. „Ich glaube, unser journalistisches Personal ist zu einheitlich sozialisiert. Die Milieus sind zu ähnlich. Wenn Redaktionen neue Leute holen, holen sie jemanden, „der zu uns passt“.“ Danke insbesondere für die selbstkritischen Töne. Was tun Sie dagegen?

  34. @Stefan: Erklären Sie mir nochmal, was das Problem mit der Einleitung ist? Ich verstehe es wirklich nicht.

  35. Ich glaube, das Problem liegt darin, dass „Streit“ und „Kritik“ negativ besetzt sind. Wenn sich in einer Koalition oder Partei gestritten wird, ist das vermeintlich schlecht. So wird es jedenfalls aufbereitet. Der Nachsatz, in dem Sie darauf hinweisen, dass sogar nach dem Gespräch noch Kritik per Mail kommt, er den Streit damit also noch fortsetzt, rückt Herrn di Lorenzo nach diesem Begriffsverständnis in ein schlechtes Licht.
    Nach meinem Dafürhalten ist ein solches Begriffsverständnis ein deutlich größeres Problem in einer Demokratie. Es zeigt, dass ihre Teilnehmer zur Teilnahme gar nicht mehr in der Lage sind.

  36. Auch wenn ich inhaltlich nicht mit allen Passagen der getätigten Aussagen übereinstimme, finde ich es gut, dass die Frage „der journalistischen Selbstreflexion“ in einem so ausführlichen Interview thematisiert und breit erörtert wurde. Ich hoffe und wünsche es, dass damit das Sensorium der Journalisten für dieses Problem geschärft wurde, damit weiterhin „Qualitätsjournalismus“ im Sinne von Erkennen relevanter Themen mit der notwendigen Ausleuchtung der Hintergründe und kritischer Distanz zu den Mächtigen geboten wird. „Der Wahrheit so nahe wie möglich kommen“, das erwarte ich mir von „Qualitätsmedien“, auch wenn der Journalist „Shitstorms“ („Lügenpresse“) über sich ergehen lassen muss.

  37. Seitdem ich bewusst Zeitung las, bemerkte ich immer öfter, dass bei Themen in denen ich mich sehr gut auskannte (Kultur, Musik, Musikindustrie, Urheber), die Schreiber oft recht ahnungsbefreit (aber meinungsstark) waren. Man erkannte die Unwissenheit sofort & immer daran, dass sie regelmäßig und wiederholt feststehende Begriffe velwechserten, aber natürlich den großen Durchblick vorzeigten; peinlich.
    Ja, es gab auch ein paar wenige Ausnahmen. Aber so wenige, dass ich seit dem Urknall „Ukraine“ nicht mehr wie seit Jahren drei Zeitungen jeden Tag lese, sondern gar keine mehr; …es sei denn, Fefe oder ein anderes Blog verlinkt auf einen (nein! nicht „spannenden“ sondern) lesbaren, interessanten Artikel.
    In Lorenzos ZEIT nehm ich nur noch (immer noch, wie seit Jahrzehnten) das Kreuzworträtsel (und Martenstein ab & zu) wahr. Der Rest ist mir zu sehr „Joffe“ oder Metaphern-Theo (ganz zu schweigen vom Gentertröteneinfluss oder dummen p.c.-Stalinismus).

  38. „Weil die Leute nicht verstehen, weshalb die Medien zwar alle und alles kritisieren, nur sich selbst nicht. “ (siehe Kommentar #4) Dass Medien sich nicht selbst kritisieren, das allein sollte ernsthafte Leser stutzig machen. Herbert Wehner hat vor vielen Jahren, auf die Frage, ob er die BILD-Zeitung lese, geantwortet: Ich lese sie jeden Tag, weil ich wissen will,was ich denken soll. Das gilt aus meiner Sicht jetzt für alle Medien. Über Jahrzehnte ist bei mir Skepsis gewachsen. Jetzt bin ich gelegentlich sogar wütend über die „Bewusstseins-Industrie“. Ich hab noch nicht rausgefunden wie diese „Gleichrichtung“ funktioniert. Aber sie ist Realität.

  39. Rechthaber-Journalismus: Vielleicht wäre es Herrn di Lorenzo Recht, wenn Journalismus grundsätzlich embedded wäre. So könnte man zumindest seinen Hinweis verstehen, dass man doch mal die Seite wechseln sollte, dann würde die Kritik schon milder ausfallen.
    Nein, es wird immer wichtiger, dass es eine Medienkritik etwas außerhalb des Mainstream gibt, die das scheinbar selbstverständliche („der Anschlag auf Charlie Hebdo war ein Anschlag auf unsere westlichen Werte“ – und was ist mit den vielen Anschlägen in der sog. islamischen Welt?), das sich schleichend etablierende Ressentiment kritisiert, das auch di Lorenzo tief verinnerlicht hat.

  40. … nicht uninteressantes Geplänkel, aber immerzu und andauernd und ganz konsequent auf Nebengleisen. Medienkritik ist immens wichtig! Gerade jetzt ist sie das, und ich finde Niggemeiers Prämisse falsch, dass außer Journalisten keiner da ist, der das könne. Man muss kein Adept sein, um einschätzen zu können, wo Handwerk nicht beherrscht wird, oder um zu erkennen, dass der allmähliche Übergang von „Pressearbeit“ zu „PR“ längst nicht mehr nur den Boulevard betrifft. Mir fällt da stets das berühmte Paradoxon des Epimenes ein (Epimenides der Kreter sagte: Alle Kreter sind Lügner). Also: Niggemeiers Seite für Medienkritik ist gut und wichtig, und immerhin ist er dafür bekannt, seine Kritik seriös und handwerklich sauber gemacht zu publizieren. Aber ebenso müssen und dürfen dies auch andere tun. Die „Amateure“ (im Internet) sind genauso wenig pauschal blöd, wie die „Lügenpresse“ pauschal lügt. Ich halte das für ein essentielles Problem: Wer Journalist ist, sieht sich gern als Teil eines exklusiven Klubs, der die Wahrheit kennt. Die anderen sind „draußen“. Dies erfahre ich nicht nur durch Kleber, Gniffke & Co., sondern auch in der Regionalpresse. Kritik von „draußen“ wird milde lächelnd abgetan oder pauschal beantwortet (die Annahme von Kritik im Einzelfall ist sehr selten und wird oft so bewertet, wie di Lorenzo das tut: Ja, es geschehen Fehler, aber insgesamt bemühen wir uns, die Arbeit gut zu machen). Das stimmt aber leider oft nicht mehr.

  41. Gerne auch Medienkritik von Nicht-Journalisten. Meine Erfahrung damit ist allerdings, dass viele von ihnen, die etwa über Facebook und Twitter antworten, nicht sonderlich differenziert sind. Denn das Wort „Lügenpresse“ ist noch keine Medienkritik. Vielen Nutzern fällt es schwer, ihre Kritik exakt so in Worte zu kleiden, dass uns Medienmachern klar ist, worum es geht. Ich kann das i.d.R. nur durch umfangreiches und zeitintensives Nachfragen herausfinden. Es werden selten Belege geliefert und oft pauschal geurteilt.

    So eine Frage wie „Warum berichtet Ihr nur über dieses eine Thema?“ verstehe ich schon nicht, weil wir über so viele andere berichten. Was ist da im Kern die Kritik?

    Und wenn wir über negative Entwicklungen in Russland berichten, wird gleich gesagt, dass es in den USA ja auch Schlimmes gebe und warum wir darüber nichts bringen.

    Und Anwürfe wie „Ihr habt aber nicht über soundso berichtet?“ ließen sich so leicht vermeiden, wenn die Leute mal selber danach suchen würden. Aber viele wollen alles auf dem Silbertablett serviert bekommen. Das bringt einen schon zur Verzweiflung.

  42. Interessantes Interview wie ich finde. Generell ist di Lorenzo immer ein wenig ambivalent in seinen Äußerungen, so auch hier.

    Immer wieder interessant wie aufgeschreckt die Medienelite ist wenn Ihr Kritik entgegen schlägt und wie uneinsichtig man sich zeigt.

    Natürlich ist es ein unterschied ob Politik wirklich geschlossen mit dem Volk in einem Trauerzug marschieren oder ob Sie sich lieber ein wenig Abseits von den vermeintlichen Gefahren stellen. Der Bürger wird aufgerufen seine Trauer und seinen Protest zu solchen Schandtaten zu bekunden und mit zu marschieren und einem selbst ist die Gefahr im „Pulk“ zu groß. Was man daran nicht verstehen kann ist mir ein Rätsel. Bei korrekter Darstellung habe ich auch ein korrektes Bild.

    Syrien, Ukraine, TTIP, Eurokrise, Griechenland etc. Wer sich selbst ein umfassendes Bild verschafft hat merkt halb eben die schlampigen Artikel und wie Fakten vergessen diese teilweise sind.

    Das Außenpolitikressort der Zeit ist ja mittlerweile berühmt….im Handelsblatt hat man zur weiteren Differenzierung Andre Balin mit ins Boot geholt zur Ergänzung von Brüggmann. Ergebnis sind differenziertere Artikel. Es gibt noch mehr als Zeitungen, es gibt auch Sachbücher, Videocontent, Debatten etc. Via Internet kann ich mich geschlossen zu einem Thema informieren, auch über Jahre hinweg.Täte dem ein oder anderen Journalisten auch mal ganz gut….

  43. Leserkritik:
    Was der Leseranwalt Anton Sahlender von der „MAIN POST“ aus freien Stücken macht sollte in jedem Medium Standard sein!

    „Lügenpresse“:
    Wer die halbe Wahrheit verschweigt hat auch gelogen!

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