Alles Gute Verlag

Angeblicher Auflagen-König ist in Wahrheit König der Kopierer

Schaut man sich die neuesten IVW-Zahlen für deutsche Zeitschriften an, fallen zwei Dinge auf. Erstens: Die allermeisten Zeitschriften machen Verluste. Bei vielen ist die Auflage im Vergleich zum Vorjahr dramatisch gesunken, um 10 Prozent, 30 Prozent, bei manchen sogar um 50 Prozent.

Und zweitens: Es gibt einen Verlag, der gegen diesen Trend immun zu sein scheint. Der Zeitschriften herausgibt, deren Auflagenzahlen nicht nach unten, sondern steil nach oben gegangen sind. Zum Beispiel die der „Freizeit Heute“, die ihre Auflage innerhalb eines Jahres um fast 60 Prozent erhöhen konnte und darum von Branchendiensten neulich zum „mit Abstand größten Auflagen-Gewinner“ aller Zeitschriften gekürt wurde.

Der Name dieses Verlags, treffenderweise: Alles Gute Verlag. Sein Erfolgsrezept: ein simpler Trick. Obwohl er nicht so groß und mächtig sein mag wie Bauer, Burda oder Funke, ist er doch eins: der König der Kopierer.

Vor gerade mal zwölf Jahren gegründet, erscheinen im Alles Gute Verlag heute vierzehn Zeitschriften, darunter neun Klatschblätter: „Freizeit Monat“, „Freizeit Express“, „Freizeit Blitz“, „Freizeit Vergnügen“, „Freizeit Heute“, „Meine Freizeit“, „Revue Heute“, „Prima Woche“ und „Spaß für mich“.

Freizeit-Wahnsinn: die Klatschzeitschriften des Alles Gute Verlags.

Um zu verstehen, wie der Verlag arbeitet, genügt ein Blick in die „Freizeit Blitz“. Deren Titelstory lautete vor ein paar Wochen: „Mord-Akte Diana – Die Spur führt zu Camilla“.

Darin geht es um einen Australier, der behauptet, der uneheliche Sohn von Camilla und Charles zu sein. Über ein paar irre Umwege strickt die Redaktion daraus eine Theorie, nach der Diana womöglich im Auftrag von Camilla ermordet wurde. Und wenn Ihnen das alles bekannt vorkommt: richtig, die Geschichte stand gut einen Monat vorher in einem anderen Blatt eines anderen Verlags: in Burdas „Freizeit Revue“. Der Alles Gute Verlag hat sie offenbar eins zu eins abgekupfert.

Links: Burda (Februar 2019), rechts: Alles Gute (März 2019)

Der Verlag recycelt aber nicht nur Geschichten anderer Verlage, sondern vor allem die eigenen – etwa die mit Helene Fischers ehemaligem Bodyguard.

Der hat vor zwei Jahren mal ein kurzes Interview gegeben, in dem er sagte, dass Helene „eine nette Person“ und „gar nicht abgehoben“ sei. Der Alles Gute Verlag druckte das Interview im August 2017 als Titelstory in „Freizeit Monat“. Im April 2018 druckte er das gleiche Interview erneut, diesmal in „Freizeit Vergnügen“. Im Juni 2018 in „Revue Heute“. Im Januar 2018 in „Freizeit Heute“. Im März 2019 in „Meine Freizeit“. Im April 2019 in „Freizeit Monat“. Und erst kürzlich noch mal in „Freizeit Vergnügen“:

Oder die Geschichte mit Florian Silbereisen und Vanessa Mai, die 2016 in der „Bild am Sonntag“ über ihre gemeinsame Tour geplaudert hatten. Der Alles Gute Verlag verwurstete das „verblüffende“ Interview innerhalb eines Jahres gleich sechs Mal als Titelgeschichte:

Oder die Geschichte darüber, dass die Queen um ihren Mann „weint“, was klingt, als wäre er tot, dabei lebt er munter weiter:

Und das sind nur drei Beispiele. Insgesamt gibt es etwa 45 Geschichten, die der Verlag immer wieder verwertet.

Wie massiv die Ausmaße dieses Recyclings sind, wird ansatzweise deutlich, wenn man sich etwa die Ausgaben der „Freizeit Heute“ anschaut, die im vergangenen Jahr erschienen sind. Von den zehn Titelgeschichten erschienen neun auch in anderen Blättern:

Doch lassen sich damit auch diese massiven Auflagengewinne erklären? Ist „Freizeit Heute“ deswegen der aktuell größte Gewinner unter den deutschen Zeitschriften? Nein.

Tatsächlich beruht die Kür der „Freizeit Heute“ zum Auflagengewinner auf einem Fehler, wie Andreas Vogel vom Wissenschaftlichen Institut für Presseforschung und Publikumsanalysen erklärt. Der bemerkenswerte Auflagenzuwachs habe nichts mit dem Inhalt der Zeitschrift zu tun, „sondern mit der Periodizität, der 5-Wöchentlichkeit und der Statistik“:

Die IVW-Meldung der Verlage geschieht ja immer bis zu einem Stichtag. Und da kommt es bei eher seltener erscheinenden Titeln immer wieder vor, dass Remissionen erst in ein noch kommendes Quartal fallen, was mitunter bei schlecht verkauften Heften den komischen Effekt haben kann, dass die Auflagenmeldung negativ wird.

Im zweiten Quartal habe „Freizeit heute“ rund 250.000 Exemplare an den Einzelhandel geliefert – und laut IVW-Daten „kein einziges Remissionsexemplar abgegeben“. Früher seien es im Quartal immer um die 90.000 bis 120.000 Remissionsexemplare gewesen, sagt Vogel. „Somit steht für die im zweiten Quartal gelieferten Exemplare die Remission und ihre Meldung an die IVW noch aus.“ Deshalb stünden nun erst mal alle gelieferten Exemplare als „verkauft“ in der Statistik, „was tatsächlich natürlich Unsinn ist“.

Für das dritte Quartal sei „Freizeit Heute“ darum schon jetzt deutlicher Anwärter auf einen prominenten Verlierer-Platz, weil dann die Remissionen aus dem zweiten Quartal mit denen aus dem dritten addiert würden, so Vogel:

In meinen Statistiken gehen solche „Außreißer“ in der Masse unter und egalisieren sich, z.B. mit verspäteten Meldungen anderer Titel in der Gesamtsumme. Wer aber brav jedes Quartal die Gewinner und Verlierer bilanziert, sollte eigentlich bei den Gewinnern und Verlierern die gemeldeten IVW-Zahlen genauer betrachten…

Das heißt: Für ihre Analysen haben die Branchendienste bei der „Freizeit Heute“ nicht die verkaufte Auflage betrachtet, wie bei anderen Zeitschriften, sondern die Druckauflage, die immer deutlich höher ist. Das Blatt gehört also nicht an die Spitze des Rankings, sondern vermutlich irgendwo ins Mittelfeld.

Dem Verlag dürfte das aber ziemlich egal sein. Schaut man sich die reinen Verkaufszahlen an, etwa für die Quartale davor, zeigt sich, dass er von seinen Klatschblättern immer noch mehr als eine Million Exemplare verkauft.

Nachtrag, 16. August: Kurz nach Erscheinen unseres Beitrags hat DWDL seinen Artikel transparent korrigiert.

8 Kommentare

  1. Herr Schönauer, was ist eigentlich Ihre Therapie, nachdem Sie sich durch diese Ekelblätter gewühlt haben? Mir wird nur beim Durchschauen dieser Titelblätter ganz schwummerig…

  2. Der Job, diese Sparte kritisch zu betreuen, hat was vom Leichenwäscher oder Tatortreiniger: Alle sind dankbar dafür, dass es einen gibt, der sowas macht und keiner kann sich’s vorstellen, es selbst zu tun :-)

  3. Von mir ein DICKES DANKE!
    Es ist ein schmutziger einsamer Job…!
    Bei diesen Plubikationen gilt mal nicht das chinesische:
    „Kopieren ist die höchste Form des Kompliments.“

  4. Witzig: Philipp Battenberg wurde angeblich schon 96-jährig von seiner Else Windsor beweint und wurde es 97-jährig und mittlerweile 98-jährig immer noch. Irgendwann erscheinen bestimmt auch noch die Zahlen (99) und (100) hinter seinem Namen in gleicher Schlagzeile. Denn für ihr Alter sind beide Eheleute ja noch ganz fit.

  5. ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass in diesen Redaktionen noch Menschen arbeiten. Ich glaube, dass der Blödsinn nur noch von Computerprogrammen zusammengebaut wird. Ist ja immer das Gleiche. Die gleichen Bilder, die gleichen Schlagzeilen, die gleichen Artikel. Das kann eine Software locker. Sofern in solchen Redaktionen mal Menschen gearbeitet haben, müssen sie irgendwann aufgegeben haben. Wenn man sich jeden Tag vor Ekel über seine eigene Arbeit übergeben und dem sozialen Umfeld verschweigen muss welchen Job man macht, wird man an Geist und Seele krank. So kann man natürlich nicht mehr arbeiten.

  6. Noch viel interessanter ist, wer den Schrott eigentlich kauft? Spätestens beim zweiten Mal müsste doch jeder merken, dass er von den Überschriften in die Irre geführt wird (um nicht verar… zu sagen)…?

  7. So ist das eben! „Seriöse“ Journalisten schreiben bei Nachrichtenagenturen, aus Polizeiberichten oder seit neuestem von Twitter ab, „unseriöse“ voneinander.

  8. @Schmidt 123
    Ich kann mich dieses Verdachts auch nicht erwehren, stelle aber fest, dass es beim Springer-Konzern, der Ippen-Gruppe, bei Burda, der NZZ und vielen anderen, seriösen Medien auch nicht anders aussieht.

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