Einfach super! Private Hochschulen bejubeln sich im Deutschlandfunk
Klaus Hekking ist zufrieden. Dass der Deutschlandfunk Gastmoderatoren einlade, sei eine „sehr schöne Idee“, sagt er zu Beginn, denn: „Das belebt für uns draußen auch das Geschäft.“ Und damit herzlich Willkommen zu einer geschäftstüchtigen Werbesendung des Verbandes der Privaten Hochschulen in Deutschland, am Mikrofon: der Vorstandsvorsitzende Hekking höchstselbst.
Gut 23 Minuten lässt der Deutschlandfunk Hekking vor zwei Wochen in der Sendung „Campus & Karriere“ darüber sprechen, wie toll private Hochschulen sind und wie viel sie zur Bildungsvielfalt in diesem Land beitragen. Und damit Hekking nicht alleine werben muss, durfte er Menschen einladen, die ihm helfen.
Als erstes moderiert Hekking einen Einspieler an, in dem Studierende der privaten Universität Witten/Herdecke mal sagen sollen, weshalb sie dort studieren und nicht an einer staatlichen Uni. Sie erzählen dann, wie vielfältig es dort sei, dass man lerne, „mutig zu denken“, und dass man an einer privaten Hochschule zu jedem ein „sehr vertrautes Verhältnis“ habe.
Hekking findet es natürlich super, dass die Studierenden so ein gutes Zeugnis ausstellen: „Familiäre Atmosphäre, individuelle Betreuung, Inspiration zu mutigem Denken“, lobt der Professor, „das hat mir ganz besonders gut gefallen!“
Aber die Studierenden müssten ja auch Geld zahlen, „und da stellt sich natürlich schon die Frage“, sagt Hekking: „Bieten diese Hochschulen einen entsprechenden Mehrwert?“ Kurz gesagt: Oh, ja, natürlich! Bestätigt ja auch eine Studierende von einer privaten Bonner Kunsthochschule: Dieser „menschliche Austausch“ dort, diese „persönlichen Ebene“ – toll! Und die 341 Euro im Monat, naja, „nicht unerheblich“, aber dann stecke man halt anderswo zurück.
„Mein Frau sagt zumindest, dass ich sehr glücklich bin“
Als nächstes darf Ottmar Schneck ran, der von einer staatlichen an eine private Hochschule gewechselt ist und sagt, diese sei als „wachsender, innovativer Qualitätsführer“ bekannt, und dass er es „bis heute nicht bereut“ habe, dort angefangen zu haben, und „meine Frau sagt zumindest, dass ich sehr glücklich bin“, was wiederum Hekking sehr glücklich stimmt: „Wenn man die Meinung von Studenten und Professoren hört“, resümiert er, „dann ist die Frage nach der Notwendigkeit von Bildungsvielfalt schon fast beantwortet.“
Eigentlich könnte man die Sendung also hier abbrechen, aber Hekking hat ja noch Trümpfe im Ärmel bzw. auf dem Stuhl neben sich. Da sitzt Harald Beschorner, Kanzler und Geschäftsführer der privaten FOM-Hochschule, und zusammen beklagen sie nun, dass sie vom Staat benachteiligt würden.
„In der Bildungspolitik“ höre man ja immer wieder, „wir seien eine Bereicherung für das deutsche System und wir würden neue Zielgruppen erschließen“, sagt Hekking, wenn es aber um Fördergelder gehe, „dann sieht’s nicht mehr so positiv aus“. Auch Beschorner findet, es gebe „Belastungen“, zum Beispiel diese Akkreditierung von Studiengängen: alles zu bürokratisch und „an staatlichen Strukturen orientiert“, also „nicht unbedingt innovationsfreundlich“.
Wer es bis hierhin nicht gemerkt hat, weiß jetzt: Das offenbar einzige Ziel dieser Sendung ist es, zu sagen, wie super private Hochschulen sind, und von der Politik mehr Geld dafür zu fordern. Eine Mitarbeiterin des Instituts der deutschen Wirtschaft rechnet vor, dass den privaten Hochschulen angeblich rund 650 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt zugestanden hätten, bekommen hätten sie die aber nicht. Für Hekking ist das „ein klares Plädoyer dafür, auch die privaten Hochschulen beim Hochschulpakt mit zu bedenken.“
Und es geht immer weiter: Der Unternehmer und „Top-Arbeitgeber“ Horst Collin darf noch erzählen, dass Absolventen staatlicher Hochschulen immer gleich ganz viel Gehalt und eine Führungsposition haben wollten, von privaten Hochschulen hingegen bekomme man Menschen mit einem „guten Fundament“ zurück, „die bieten einen riesigen Einsatz, die machen das alles neben ihrem Beruf, in der Freizeit machen die das Studium, und die sind auch richtig heiß und top, und das sind die, die wir brauchen!“
„Aber wo viel Licht ist, da wird auch Schatten sein“
Gut 17 Minuten geht das so, bis Hekking philosophiert: „Aber wo viel Licht ist, da wird auch Schatten sein“ – ganz sicher ist er sich da nicht. Doch es gehöre natürlich auch dazu, sagt er, „dass wir mit Kritikern des privaten Hochschulwesens sprechen“, was lustig ist, weil jetzt genau eine Kritikerin kommt, die Journalistin Bärbel Schwertfeger, die unter anderem sagt, dass private Hochschulen „zum Teil unteres Volkshochschulniveau“ anböten.
Hekking stellt Schwertfeger ein paar halbkritische Alibi-Fragen und versucht immer wieder, sie in eine ihm genehme Richtung zu lotsen. Zu allem, worüber zuvor gesprochen wurde, kann Schwertfeger in 5 Minuten 30 ohnehin nichts sagen, weil sie nicht dabei war, und dann ist es auch schon wieder vorbei.
Aber Hekking sagt abschließend, der Satire ganz nah: „Ich glaube, wir haben heute doch ein breites Meinungsspektrum zum Thema Bildungsvielfalt und zum Thema private Hochschulen gehört.“
Es gibt die Sendung „Campus & Karriere“ nun seit 20 Jahren. Zu ihrem Jubiläum hielten es die Macher für eine gute Idee, 20 Gastmoderatoren einzuladen, die die Sendung „gestalten“; einige waren schon da, andere kommen noch. Sie sollten „die Vielfalt relevanter Stimmen im Bildungsbereich spiegeln und Raum für verschiedene Perspektiven schaffen“, schreibt der Deutschlandfunk auf Anfrage. Insofern sei eine Sendung „auch mal subjektiver als gewohnt“, das liege in der Natur der Sache. „In vielen anderen Ausgaben der Sendereihe – wie in der Sendung ‚Campus & Karriere‘ grundsätzlich – kommen Vertreter staatlicher Hochschulen oder Hochschulverbände ausreichend zu Wort und ermöglichen so ein insgesamt ausgewogenes Bild“, so der Sender.
Hekking spricht nicht für eine private Hochschule, sondern für alle
Nur nutzt dieses Bild den Hörern dieser Sendung gar nichts. Sie hören lediglich eine Lobhudelei und ein wenig Kritik als Feigenblatt. In anderen Sendungen der Gäste-Reihe ist das anders. Auch dort treten Menschen auf, die sich für etwas einsetzen: ein Mathematik-Professor, zum Beispiel, für „Open Access“, den freien Zugang zu Forschungsliteratur im Internet. Er fragt: Brauchen wir dann noch Bibliotheken? Und spricht mit einem Bibliothekar. Er fragt: Brauchen wir dann noch Verlage? Und hat einen Verleger zu Gast.
Die Sendung mit Hekking aber ist, trotz vorgeschriebener Werbefreiheit des Deutschlandfunks, weitgehend werblich. Auch wenn der Sender dem widerspricht: „Den Grundsatz der Werbefreiheit sehen wir gewahrt“, schreibt er. Der Verbandsvorsitzende Hekking sei auch deshalb als Gastmoderator gewählt worden, „weil er nicht für eine einzelne private Hochschule spricht.“
Das stimmt: Hekking, einst Referent des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth (CDU), spricht nicht nur für eine einzelne private Hochschule, sondern für alle, und er war 32 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der SRH Holding, einer Stiftung, die mit dem SRH Konzern unter anderem bundesweit private Hochschulen, Schulen und Bildungszentren betreibt.
Offenlegung: Bärbel Schwertfeger hat auch schon für Übermedien geschrieben.
Nachtrag, 1.11.2018. Ende Juni, kurz nach Erscheinen dieses Beitrags, hatten wir den Hörfunkrat des Deutschlandradios um eine Einschätzung gebeten. Wir wollten wissen, wie das Aufsichtsgremium zu der Sendung steht und ob sie den Programm-Grundsätzen des Deutschlandfunks entspricht.
Nun hat der Hörfunkrat, nach abermaliger Anfrage, geantwortet: „Wir müssen uns entschuldigen: Erst durch Ihre heutige Nachricht ist uns aufgefallen, dass die seit Monaten fertige Antwort des Vorsitzenden leider versehentlich nicht abgeschickt wurde.“
Frank Schildt, der Vorsitzende des Hörfunkrats, hat kein Problem mit der Sendung. Die Programmgrundsätze würden gewahrt. Der Staatsvertrag verlange von den Programm-Macherinnen und -machern, einen „objektiven Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit“ zu liefern. Zur Erfüllung dieses Auftrags halte er es für angebracht, so Schildt, nicht eine „einzelne Sendung isoliert zu betrachten, sondern die Angebote von Deutschlandradio als Gesamtes“.
Die Redaktion von Campus & Karriere habe sich „über die Jahre sehr intensiv mit dem Thema private Hochschulen auseinandergesetzt“. Eine Einseitigkeit könne er deshalb bei diesem Thema nicht erkennen. Regelmäßige Hörerinnen und Hörer wüssten, wie intensiv sich die Sendung mit dem Thema schon befasst habe. „Die einzelne Sendung (…) gefährdet daher meiner Ansicht nach nicht die in § 6 Absatz 1 des Deutschlandradio-Staatsvertrags festgeschriebene freie und individuelle Meinungsbildung, die die Programme ermöglichen sollen.“
Außerdem sei klar erkenntlich, dass es sich nicht um eine „Regelsendung“ handle. Dass zum 20. Geburtstag Gäste moderieren würden, sei „hinreichend kommuniziert“ worden, und „auch im Internet sind diese Sendungen gesondert an- und eingeordnet“. Dass es „zu einer subjektiveren Sicht auf die Themen der gastmoderierten Sendungen führen kann als dies sonst der Fall ist, halte ich für vertretbar“, schreibt Schildt.
Auch die Pflicht zur Werbefreiheit des Deutschlandradios sieht Schildt nicht verletzt, „weil – und hier greife ich das Argument der Kollegen aus dem Programm auf, die Sie in ihrem Artikel zitieren – Herr Hekking nicht für eine einzelne private Hochschule sondern für den Verband spricht. Denn private Hochschulen sind, wenn Sie auch ihre Kritiker haben, ein nicht unwesentlicher Teil der deutschen Bildungslandschaft“.
Außerdem findet Schildt bemerkenswerterweise: „Dass junge Leute auf der Suche nach einem Studienplatz nach dem Hören der von Ihnen beanstandeten Sendung ohne jede weitere Prüfung aller Optionen sich nur noch ein Studium an einer privaten Hochschule vorstellen können – dies wäre ja der Zweck einer Werbesendung – halte ich für nicht realistisch, würde es doch auch heißen, die Hörerinnen und Hörer des Deutschlandfunks zu unterschätzen.“
„Insgesamt verkörpert die Uni Witten-Herdecke aber eine seltsame Art von Querfront zwischen Waldorf und Wirtschaft. Und so bleiben Zweifel an der Behauptung, kritisches Denken wirklich als Hauptziel zu verfolgen.“
Eine umfassende Analyse der Uni Witten-Herdecke und der GLS-Bank auf Telepolis:
https://www.heise.de/tp/features/An-der-Oberflaeche-eine-sozialdemokratische-Deutungshoheit-4056066.html?seite=4
Ich habe die Sendung zufälligerweise live gehört und stimme dieser Analyse vollkommen zu. Als politisch aktiver Student seinerzeit (2005 – 2011) habe Einblicke in die Prinzipien der Hochschulfinanzierung bekommen und muss mich doch schwer über die Forderung der privaten Hochschulen wundern: Niemand hat nach ihnen gerufen, das staatliche Hochschulsystem sollte eigentlich alle Nachfrage decken, und zwar kostenfrei. Wenn sich ihr Geschäftsmodell nicht rechnet, müssen sie schließen – das ist Freie Marktwirtschaft. Und wenn die Qualität des öffentlichen Hochschulangebots nicht gut genug ist, dann muss das Geld dorthin fließen, damit kostenlose Bildungsangebote so hochwertig sind wie nötig und möglich.
P.S. Banken verlangen ja auch nicht staatliche Förderung, sobald sich ihr Geschäftsmodell als unprofitabel—oder, äh… Ach, verdammt…