Gericht lässt ominöse Eumann-Wahl durchgehen
Marc Jan Eumann kann sich also wieder beglückwünschen lassen. Das Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße hat gestern entschieden, dass seine Wahl zum Direktor der Landesanstalt für Medien und Kommunikation (LMK) rechtens ist. Zwei Eilanträge, die Wahl für nichtig zu erklären, wies das Gericht ab. Eumann kann nun Obermedienaufseher von Rheinland-Pfalz werden – wenn nicht einer der beiden Antragsteller in die nächste Instanz geht.
Die Wahl hatte Ende vorigen Jahres für Aufsehen gesorgt, nachdem „Medienkorrespondenz“ und Übermedien über das ominöse Auswahlverfahren berichtet hatten. Das intransparente Prozedere, bei dem viel im Geheimen geschah, legte nahe, Eumann sei in das Amt geklüngelt worden. Die LMK hatte eine „Findungskommission“ eingesetzt, die ihn als einzigen Kandidaten vorschlug; einen SPD-Politiker, der eine SPD-Politikerin ablösen sollte: die amtierende Direktorin Renate Pepper.
Das Gericht hat nun entschieden, dass es in Ordnung ist, dass die LMK hinter verschlossenen Türen darüber entscheidet, wer Chef der Anstalt wird: „Mangels gesetzlicher oder satzungsrechtlicher Regelungen“, hieß es, habe die Versammlung „frei darüber entscheiden können, wie sie die Wahl vorbereite, auf welche Weise sie nach geeigneten Bewerbern für die Stelle des LMK-Direktors suche und wen sie zur Vorstellung und zur Wahl zulasse“. Auch dass die LMK auf eine öffentliche Ausschreibung verzichtete und eine, so das Gericht: „informelle Findungskommission“ einsetzte, war demnach korrekt.
Das ist eine bemerkenswerte Entscheidung, die noch mal einiges über die Vergabepraxis solcher Stellen offenbart und jeden aufregen sollte, der Rundfunkbeitrag bezahlt, also: alle. Denn aus Rundfunkbeiträgen wird diese Anstalt, die das Privatfernsehen beaufsichtigt, finanziert. Wer ihr Chef wird, dafür gibt es allerdings keinerlei Gesetz in Rheinland-Pfalz, nicht mal eine interne Satzung. Seit Jahren wurde das einfach so entschieden, nach Gusto – und oft auch nach Parteibuch. Nach außen sollte davon so wenig wie möglich dringen.
So hielt die LMK unter anderem geheim, wer ihrer „Findungskommission“ angehört. Schon an dieser Stelle konnte man immer fragen: Weshalb eigentlich? Weshalb sollte es ein Geheimnis sein, wer die Kandidaten für den Posten aussucht? Es war nur bekannt, dass Albrecht Bähr, der Vorsitzende der LMK-Versammlung, auch die „Findung“ als Vorsitzender leiten würde. Sonst nichts. Auch nicht, wie man vorgehen und nach welchen Kriterien man entscheiden werde. Bewerber also, die sich nicht im Dunstkreis der LMK bewegen, hatten so gut wie keine Chance, von der vakanten Stelle zu erfahren.
Schon von außen betrachtet, aus der Sicht der Beitragszahler, machte das Auswahlverfahren einen äußerst windigen Eindruck. Er bestätigt sich, wenn man in die Protokolle und Notizen der LMK rund um die Sache schaut.
Im Protokoll der 35. Sitzung des Hauptausschusses am 4.9.2017 heißt es, Interessenten würden „über die Versammlung, die GVK [Gremienvorsitzendenkonferenz; Anm. d. Red.] und die Presse“ aufgefordert, „sich mit dem Vorsitzenden Bähr in Verbindung zu setzen“. Die Pressemitteilung, die daraufhin von der LMK veröffentlicht wurde, klingt aber eher nicht nach einer Aufforderung an Interessierte, sich zu melden: Die LMK teilte lediglich mit, eine Findungskommission gebildet zu haben, die am 4.12.2017 „Vorschläge für die Wahl der Nachfolgerin/des Nachfolgers der Direktorin der LMK“ einbringen werde.
Wer sich wo, wie und bis wann bewerben kann, stand dort nicht. Aufgegriffen wurde die Pressemitteilung dann auch lediglich vom Fachdienst „Info Digital“ und der Lokalzeitung „Rheinpfalz“. Erst später, Mitte Oktober, berichtete der größere Branchendienst „Medienkorrespondenz“ ausführlicher, dann Übermedien. Aber da rutschte das Kind schon langsam in den Brunnen.
Angeblich, heißt es in den Protokollen, führte der Findungsvorsitzende Bähr drei Gespräche wegen der Stelle: eins mit Eumann und zwei mit Personen, „die äußersten Wert auf Vertraulichkeit legten“. Nach den Gesprächen hätten sie angeblich „gleich entschieden nicht zu kandidieren“. Der eine Bewerber offenbar, weil er keine zweite Legislatur zusichern konnte, wohl aus Altersgründen. (Wieso er das müsste, wenn es erstmal um eine Legislatur geht, steht dahin.) Weshalb die andere Bewerberin Abstand nahm, ist offen.
Aber vielleicht haben es Bähr und seine Kommission auch gar nicht so sehr darauf angelegt, dass sich weitere Bewerber an sie wenden. An anderer Stelle in den Protokollen heißt es, dass sich der Versammlungsvorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt (LfM) gemeldet habe; er nannte „einige Namen, die eventuell für den Posten in RLP interessant sein könnten“ und „machte darauf aufmerksam, dass er auf die Personen zugehen kann“.
Doch das war nicht erwünscht. „Wir haben jedoch beschlossen“, schreibt Bähr lapidar, „nicht auf die genannten Personen zuzugehen“. Und er fügt an: „Ich machte darauf aufmerksam, dass sie sich bei dem Vorsitzenden der Findungskommission melden müssen.“ Dieser Vorsitzende ist Bähr selbst, und die Findungskommission war also tatsächlich eine, die nicht sucht, sondern bloß findet. Der Verdacht, dass sie auch deshalb nicht an einer aktiven Suche interessiert war, weil sie längst einen Wunschkandidaten namens Eumann ausbaldowert hatte, wird die LMK wahrscheinlich nicht mehr los.
Die LMK hatte ihr Vorgehen auch damit begründet, dass es ja „keine gesetzlichen Vorgaben“ gebe, man also frei gewesen sei: „Die Versammlung hat sich in der Verfahrensgestaltung im gesetzlich und satzungsmäßig vorgegebenen Rahmen bewegt.“ Es sei auch „nicht zwingend, eine öffentliche Ausschreibung vorzunehmen“. Das Gericht hat das nun in erster Instanz bestätigt.
Die LMK hatte sich auch darauf berufen, dass andere Landesanstalten, etwa in NRW oder Bayern, jeweils eigene Wege gehen würden. Kandidat Eumann nannte das „föderale Vielfalt at its best“, aber eigentlich ist es ein Witz. Wenn die Verfahren aufgrund der föderalen Struktur schon nicht einheitlich sind, was wünschenswert wäre, müssten sie aber in jedem Fall brutal transparent sein, offen ausgeschrieben, mit Chancen für verschiedene Bewerber.
Was bei der Aufregung um die Wahl Eumanns unterging: Die LMK-Versammlung wählte auch einen Stellvertreter, dessen Posten ebenfalls nicht ausgeschrieben wurde. Gewählt wurde Harald Zehe, was nicht überraschte. Zehe arbeitet seit 1989 in der LMK und ist inzwischen seit gut 18 Jahren in diesem Amt. Stellvertreter Zehe ist CSU-nah, was passt, da LMK-Direktoren in der Regel von der SPD kommen, es ist also eine Proporzentscheidung. Zu Zehes erneuter Wiederwahl wurden laut Protokoll weder Fragen gestellt, noch eine Aussprache gewünscht – wieso auch? Man kennt sich ja.
Mit 30 Ja- und 2 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung legte Zehe einen klaren Durchmarsch hin, ohne lästige Ausschreibungen oder Bewerbungsverfahren. Zehe dankte dann folgerichtig „für das ihm ausgesprochene Vertrauen“.
Mit „großer Sicherheit“ werde es bei Personalentscheidungen künftig mehr Transparenz geben, kündigte der LMK-Vorsitzende Bähr bereits im Dezember an. Daran wird er, wird sich die LMK messen lassen müssen, wenn ihr an ihrer Restglaubwürdigkeit irgendetwas liegt – zumal die Öffentlichkeit in Zukunft weiter Fragen stellen wird, wenn es um die Arbeit der LMK geht.
Und noch mehr müsste passieren: Bisher billigt der Gesetzgeber dem LMK-Gremium „eine weitgehende Freiheit zur Selbstorganisation bei der Wahl des Direktors oder der Direktorin zu“, so das Gericht in seiner Begründung. „Damit gewährleiste das Gesetz die von der Rundfunkfreiheit gebotene Pluralität und Staatsferne im Bereich der Medienaufsicht über den privaten Rundfunk.“
Das mag sein. Es läge aber auch an den Landesgesetzgebern, solche Auswahlverfahren klarer zu regeln, und zwar nicht nur für die LMK, sondern für alle Landesmedienanstalten. In Rheinland-Pfalz hat die Opposition bereits gefordert, die Stelle künftig öffentlich auszuschreiben. Die Staatsferne würde so ein transparentes Verfahren nicht tangieren, im Gegenteil: Solange festgelegt wird, dass Posten öffentlich von staatsfernen Mitgliedern zu bestimmen sind.
Schön, dass dieses Thema hier weiter verfolgt wird.
Mir erscheint fraglich, ob sich durch öffentliche Stellenausschreibungen an der bestehenden Praxis groß etwas ändern wird. Letzten Endes bliebe es doch dabei, dass die Anstalten frei darin sind, den ihnen genehmsten Kandidaten ins Amt zu berufen. Selbst wenn sich noch etliche geeignetere (nach welchen Kriterien?) Kandidaten beworben haben. Die beamtenrechtlichen Grundsätze der Bestenauslese gelten hier nicht.
Als Ergänzung sei die Lektüre die Pressemitteilung des Gegenkandidaten Markus Kompa empfohlen: http://www.kanzleikompa.de/2018/02/28/vg-neustadt-kompa-lmk-pressemitteilung
„Die Akte ist ein Offenbarungseid an Unprofessionalität und Mauschelei. Während mir für meine Bewerbung künstliche Formalitäten in den Weg gelegt wurden, hatte Herr Dr. Eumann nicht einmal eine Bewerbung geschickt. In der Akte gibt es von ihm keinerlei Papiere, nicht einmal ein polizeiliches Führungszeugnis.“
Ist „ominös“ jetzt das neue „umstritten“?
Auch hier zeigt sich wieder einmal, dass es empfehlenswert sein kann, sein Kreuz bei der nächsten Wahl bei einer Partei zu setzen, die sich für eine Verschärfung der Rechtsprechung anstatt dieser Vetternwirtschaft-Politik einsetzt.
@4: „Verschärfung“? Ich habe eine Vermutung, welche Partei sie meinen, fürchte aber, dass denen Vetternwirtschaft SEHR geläufig ist.
Wenn der Herr Eumann auch nur ein ganz klein wenig A… in der Hose hätte, würde er ein geordnetes, transparentes und von parteipolitischem Einfluss so weit wie möglich entferntes Wahlverfahren für seinen Posten einführen und dann zurücktreten.
Daniel (#4): Sie möchten also eine Partei an der Macht sehen, die den Gerichten sagt, wie sie zu urteilen haben? In welchem Parteiprogramm haben Sie das denn gefunden?
@Daniel, #4
Das würde mich jetzt auch interessieren. Welche Rechtsprechung? Und welche Partei?
@4 – Daniel:
Sie sollten eventuell zuerst einmal überlegen und vermutlich auch nachlesen, was genau es mit dieser Gewaltenteilung auf sich hat und dann erkennen, dass keine Partei Einfluss auf die Rechtssprechung hat.
Es ist ein systemimmanentes Problem unserer Rechtsprechung, dass deutlich mehr Rücksicht auf die Belange des Täters als auf das Opfer genommen wird. Schwerverbrecher kommen mit einer Bewährungsstrafe davon, wenn sie eine schlechte Kindheit vorweisen können, das Opfer leidet still für den Rest des Lebens an den erlittenen Traumata.
Ich wünsche mir tatsächlich entgegen aller Tabus eine Regierung, die hier knallhart durchgreift und die Justiz zu deutlich härteren Strafen animiert. Über das deutsche Rechtssystem lachen mittlerweile nicht nur die straflos auf freien Fuß gesetzten Täter, sondern die ganze Welt. Ich wünsche mir auch eine Abkürzung der Berufungs- und Revisionsprozesse, mir wäre auch ein direkter Zugriff der Regierung auf den zu verhängenden Strafrahmen recht. Es kann nicht sein, dass solche Menschen aufgrund von Rechtsfehlern wieder auf freien Fuß gesetzt werden, hier muss unsere Regierung knallhart durchgreifen und sagen, dass das so nicht geht und die Täter über einen alternativen Prozess binnen weniger Tage lebenslang hinter Gitter gesteckt werden.
Es mag ein wenig pathetisch anmuten, dennoch möchte ich an dieser Stelle zu Protokoll geben: „Dafür bin ich ’89 nicht auf die Straße gegangen…“
Daniel mag unseren Rechtsstaat nicht. Daniel mag auch die rechtsstaatliche Demokratie nicht. Daniel würde sich in Russland, Nordkorea, China oder im Iran sicher wohlfühlen.
Gut, dass wir das jetzt wissen. Aber was hat das mit Marc Jan Eumann zu tun? Oder erleben wir hier den (wievielten inzwischen?) erneuten Auftritt eines neurechten Zeitgenossen, der uns seine Agenda auftrollen möchte?
Es spricht für den Zustand unserer Gesellschaft, das jedwede Kritik am bestehenden System sofort als rechte Trollerei verunglimpft wird. So erspart man sich die Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Problemen dieses Landes.
@#8
„… dass keine Partei Einfluss auf die Rechtssprechung hat.“
Sicher?
Ganz spontan, denke ich da an Maas und Schwesig im Fall Gina-Lisa Lohfink.
Oder auch an Maas, im Fall des (gefeuerten) Generalbundesanwalts Range (Geheimnisverratermittlungen gegen „netzpolitik.org“).
@12 Daniel: Aber glauben Sie tatsächlich, dass die Menschen in, sagen wir: der Türkei oder Nordkorea über das deutsche Rechtssystem lachen?
Sie lenken vom Thema ab, indem Sie bewusst Diktaturen anführen, um mein Argument ins Lächerliche zu ziehen. Wie sähe ein Vergleich mit Polen oder Italien aus?
@B. Hellwig: Ersetzen Sie „hat“ durch „haben sollte“ und der Satz stimmt wieder. Natürlich beschreibt die Gewaltenteilung einen Idealzustand. Manchen Politiker sollte man tatsächlich öfter daran erinnern. Trotzdem ist doch allein die Vorstellung, dass Herr Eumann in Medienkreisen derzeit wohl zu den meistverarschten Persönlichkeiten gehört (wozu er durch sein Verhalten ja auch einen Beitrag geleistet hat) eine gewisse Ermutigung. Ehrlich gesagt bin ich guter Hoffnung, dass Kontrollorgane wie die Landesmedienanstalten in Zukunft etwas genauer darauf achten werden, Abstand zur Politik zu halten. Und sei es nur aus Angst sich noch einmal so zu blamieren.
@Daniel: Aus Interesse (und weil Ihnen das Artikelthema ja sowieso egal ist):
a) definieren Sie den Begriff „Diktatur“.
b) Beschreiben Sie das politische System der Türkei im Hinblick darauf.
Danke.
@15 Daniel: Naja, Sie schrieben, „die ganze Welt“ lache. Und was in Polen gerade los ist, wissen Sie sicher. In Sachen Justiz gibt es da gerade auch nicht so viel zu lachen. Aber zurück zum eigentlichen Thema.
@Daniel würde mich jetzt aber auch interessieren, warum „die ganze Welt“ über unser Rechtssystem lacht? Ich tu mich immer schwer mit solchen Pseudotasachen.
2. Was hat das Rechtssystem mit diesen Fall zu tun? Das Gericht hat festgestellt, dass das Verfahren im Rahmen der zugrundeliegenden Gesetze rechtens war. Wo liegt nun das Problem mit dem System? Fehlende Rechtsbeugung im vorliegenden Fall?
3. Sie wünschen sich, dass die Regierung direkt Einfluss auf das Strafmaß nehmen kann? Um Gottes Willen.. Das ist auf so vielen Ebenen falsch, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen sollte, diesen intellektuell tieffliegenden Vorschlag auseinander zu nehmen, aber gut, dann weiß ich, welche Partei Sie wohl wählen würden
@B. Hellwig, #13
Staatsanwälte sind im Schema der Gewaltenteilung Teil der Exekutive und nicht Teil der Judikative. Inwieweit also ein Einfluss auf die Rechtsprechung vorliegt, müssten Sie bitte noch erläutern.
@Daniel, #12
Niemand muss Sie hier verunglimpfen. Das schaffen Sie ganze alleine. Außerdem: Schon in Ihrem dritten Post auf armes Opfer umgeschaltet. Respekt.
Ansonsten schließe ich mich th, #11 an: Aber was hat das mit Marc Jan Eumann zu tun?
@15: Hier, Daniel, einfach mal schauen: https://www.youtube.com/watch?v=wtV5ev6813I
Die Politik hat faktisch einen großen Einfluss auf die Öffentlich-Rechtlichen und ihre Gremien. Dies dürfte recht unbestritten sein.
Leider – und das könnte das oben besprochene Urteil vielleicht erklären – hat die Politik aber augenscheinlich auch einen erheblichen Einfluss auf die Justiz, und zwar vor allem über die Personalpolitik. Um die „Unabhängigkeit“ weiter Teile der Justiz stünde es demnach deutlich schlechter, als die breite mediale Berichterstattung es oftmals suggeriert. Dies könnte eine gewisse Tendenz (untergeordneter) Gerichte erklären, wohl oftmals „staatsnah“ und „parteinah“ zu entscheiden.
http://norberthaering.de/de/27-german/news/923-unabhaengige-justiz-wer-im-glashaus-sitzt-soll-nicht-auf-polen-werfen
Was wirklich im Gesetz steht, erkennt man erst im Konfliktfall. Alte, oft vergessene Weisheit. Das kommt häufiger vor, dass die Gerichte dem Bürger zurufen „Hast Du Dummerchen gedacht, das wäre hier irgendwie gesetzlich geregelt? Hast Du dich getäuscht.“ Ich erinnere etwa an den Göttinger/Regensburger Organspendeskandal. Oder den Bayerntrojaner http://www.internet-law.de/2011/11/staatsanwaltschaft-will-wegen-des-bayerntrojaners-nicht-ermitteln.html Warum schlafende Hunde wecken? Solange der Bürger der Meinung ist, das habe schon irgendwie alles seine Ordnung, gibt es doch keinen Grund, ihm das unter die Nase zu reiben. Das nimmt einem doch nur Möglichkeiten später Ausreden zu konstruieren.
Hier haben Journalisten ungeahnte Möglichkeiten, denn wenn sie auf einen unklar geregelten Bereich treffen, müssen sie nicht warten. Man kann ja einfach mal fragen, wie es wäre, wenn ein Konflikt auftritt.
Immerhin könnte sich Herr Kompa in den Instanzen selbst vertreten, das spart zumindest etwas Geld. Hoffe, er probiert es in der nächsten Instanz und schöpft den Eil-Rechtsweg aus. Nach dem OVG/VGH könnte dann das Bundesverfassungsgericht mit einer einstweiligen Verfügung beschäftigt werden. Die haben damit eigentlich nichts zu tun, aber zur verfassungsrechtlichen Einordnung vielleicht doch eine Meinung.
Bemerkenswert ist auch dieser Satz in der Pressemitteilung des Gerichts:
„Im Hinblick auf die Position des stellvertretenden Direktors spricht das Gericht dem betreffenden Antragsteller bereits die Antragsbefugnis ab, da die Versammlung in gesetzlich zulässiger Weise nach ihrer bisherigen Praxis einen leitenden Beschäftigten der LMK für diese zusätzliche Funktion wähle. Da der Antragsteller kein Beschäftigter der LMK sei, könne er die Stelle nicht erhalten.“
Das soll wohl bedeuten, dass man als Außenstehender von vornherein nicht die „bisherige Praxis“ beanstanden darf. Fehlende Antragsbefugnis heißt, es besteht von vornherein keine Möglichkeit, dass man rechtswidrig übergangen wurde. Dass die Rechtswidrigkeit gerade darin liegen könnte, dass Außenstehende, d. h. Nichtmitarbeiter keine Chance auf die Stelle haben, wird dabei offenbar nicht in Erwägung gezogen.
@9, Daniel:
Was Sie da formulieren, ist die Abschaffung der Gewaltenteilung und damit einen der Grundpfeiler unserer Ordnung. Ich kann Ihren populistitschen Ansatz nachvollziehen, aber das alles klingt halt nur am Stammtisch gut und brauchbar – tatsächlich ist das Quatsch. Sie dürfen sich auch ganz sicher sein: in Wirklichkeit, wenn Sie sich die drastischen Konsequenzen vor Augen führen würden, wollen Sie das nicht. Und falls doch, haben alle anderen Glück, dass die Gewaltenteilung in Deutschland der Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes unterfällt und daher nicht abgeschafft werden kann.
@9: Sie wünschen sich mit anderen Worten den Volksgerichtshof (zurück). Erschreckend, wenn man Ihren Beitrag mit den Motiven der Gründung dieses „Gerichts“ abgleicht, nachzulesen beispielsweise auf Wikipedia. Genehm wäre Ihnen doch sicher auch die so genannte Schutzhaft, die wir für Gefährder aller Art, besonders im Görlitzer Park herumlungernde Anderslinge, doch auch gern wieder einführen könnten? Nur so vorsorglich, man weiß ja nie … warum allerdings noch solch ein Zurückzucken, wenn es heißt, die müssten „lebenslang hinter Gitter gesteckt werden“? Ach kommen Sie, den Schritt hin zu einer viel billigeren und effizienteren Entsorgungsmethode für Volksschädlinge schaffen Sie auch noch …
Zum Thema: Ich kann nicht erkennen, dass das VG unrichtig entschieden hätte. Es hat sich an Gesetz und Recht zu halten, steht auch in der Verfassung. Wo es kein Gesetz oder Recht in Form einer Satzung gibt, kann es auch keinen Verstoß konstatieren und daraus Folgen ableiten. Gerichte sind kein Ersatzgesetzgeber für Dinge, die jemand anderes – der Gesetz- oder auch der Satzungsgeber – verbockt hat. Die Justiz ist daher keinesfalls der Schuldige hier, sondern hat sich im Rahmen ihres Aufgabenspektrums bewegt.
@25 „Das soll wohl bedeuten, dass man als Außenstehender von vornherein nicht die „bisherige Praxis“ beanstanden darf. „: Doch, darf und soll man, geschieht ja auch im Artikel. Nur versetzen Sie sich doch mal in die Lage des Gerichts: An was soll es sich denn halten, wenn verbindliche, im Vorhinein festgelegte Regeln fehlen? Das einzige, was nicht willkürlich erscheint, ist dann doch die bisherige Praxis, oder? Wieso soll das Gericht plötzlich andere Regeln erfinden, die diese Praxis negieren? Die Praxis zu ändern, ist schlicht und ergreifend nicht seine Aufgabe.
@Vannay, #27
Vom Grundsatz her: volle Zustimmung. Ich halte auch nichts von pauschalem Justizbashing (erst recht nicht, wenn es, anders als hier, von Seiten der Politik kommt, deren Job es wäre, die Gesetze zu machen).
Hier ist es aber ja gerade zweifelhaft, ob es, wie das Gericht meint, höherrangiges Recht, gegen das verstoßen worden sein könnte, schlicht nicht gibt. Die Antragsteller haben sich hier z. B. auf ihr grundrechtsgleiches Recht auf Chancengleichheit (Art. 33 Abs. 2 GG) berufen, das einer solchen Vergabepraxis auch dieser Ämter entgegenstehen könnte. Die Frage ist aber sicher nicht ohne Weiteres zu beantworten, es mag schon sein, dass das hier so in Ordnung ging. Es schreibt ja auch niemand dem Bundestag vor, aus welchem „Bewerberkreis“ er den Bundeskanzler auszusuchen und zu wählen hat (vgl. Art. 63 GG).
Noch zu #25: „beanstanden“ heißt in dem Fall „gerichtlich prüfen lassen“. Es geht nicht um das notorische „darf man nicht mehr kritisieren“. Die Stelle war mir sauer aufgestoßen, weil fehlende Antragsbefugnis, wie gesagt, bedeutet, dass der Antragsteller von vornherein die bestehende Vergabepraxis nicht gerichtlich anfechten kann, da er nach eben dieser Vergabepraxis als Kandidat gar nicht in Betracht kommt. Das ist ein Zirkelschluss. Man stelle sich mal vor, ein schwäbischer Mann (wahlweise andere Merkmale wie Ethnie/Religion/Hautfarbe einfügen) wird bei einer Ämterbesetzung übergangen und ein Gericht sagt ihm, er könne sich auf ein Recht auf Chancengleichheit von vornherein nicht berufen, da nach ständiger Praxis schon immer hessische Frauen bevorzugt würden.
Ja, ok, hab mich am „beanstanden“ verhakt und war von den ein bissel extremen Ansichten eines anderen Kommentatoren abgelenkt, ich bitte um Verzeihung.
Ob man das wirklich schon an der Antragsbefugnis scheitern lassen muss oder sich nicht doch mit dem Begehren materiell auseiandersetzen sollte, wenn es dem Antragsteller gerade darum geht, eine (ebenfalls ungeschriebene!) „Regel“ in der bisherigen Praxis zu durchbrechen, kann man sicher vertieft diskutieren. Da das allerdings außer Juristen wohl niemanden hinter dem Ofen hervorlockt, lassen wir es mal gut sein.
Mir ging es auch eher darum, die generelle Richtschnur für ein streitentscheidendes Gericht (in der Reihenfolge Verfassung, Gesetz, autonom gesetztes Satzungs- oder Vertragsrecht, bei Fehlen solcher Grundlagen ggf. bisherige Praxis) aufzuzeigen und ein bisschen zu verteidigen, denn auch wenn das altbacken klingt: Ein subsidiär herangezogenes „Wurde schon immer so gemacht“ ist als Handlungs- und Entscheidungsleitfaden 1. nicht zwangsläufig immer schlecht, 2. das Gegenteil von Willkür und daher 3. auch ein Ausdruck von Rechtsstaatlichkeit. Rechtsstaatlichkeit bedeutet ja nicht, dass Entscheidungen zwangsläufig allen gefallen oder auch nur „richtig“ sein müssen. Für ein „Machen wir künftig anders.“ sind Gerichte jedoch grundsätzlich die falschen Adressaten. Und auch das ist gut so.
@ Vannay:
M.E. stehen und fallen Ihre drei Gründe für ein „Wurde schon immer so gemacht“ als Handlungs- und Entscheidungsleitfaden damit, ob dahinter ein etabliertes Verfahren abseits von bloßer Kungelei steckt, sonst ist nämlich 1. lediglich Zufall, 2. nicht gegeben und über 3. brauchen wir uns dann eingentlich gar nicht mehr unterhalten.
Diese Überlegungen sind allerdings ohnehin etwas off-topic. Ob geltendes Recht eingehalten wurde, wird die Zukunft zeigen. Die Sache geht ja nun in die nächste Runde.
Hm, wer beurteilt, ob es sich um ein „etabliertes Verfahren abseits von bloßer Kungelei“ handelt? Vergleichswerte? Große Studie machen? Wer ist unabhängiger Sachverständiger? Prozessende 2025?
Aber mal unterstellt, das Gericht brandmarkt das „Verfahren“ wie gewünscht als Kungelei (Rechtsbegriff? Norm?). Und dann? Welche Regeln soll es stattdessen anwenden oder besser gesagt erfinden? Greift das dann nicht mindestens in autonome Freiheit und Gestaltungsmacht der Satzungsversammlung ein? Und Obacht: Je nachdem, wie hoch die Regeln aufgehängt werden, ist auch die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers betroffen. Liest man Mindeststandards für ein solches Verfahren in das Grundgesetz hinein, kann auch der Gesetzgeber nicht so mir nichts, Dir nichts dran vorbei.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich finde das Wahlverfahren, so wie es hier und von Herrn Kompa geschildert wird, eine Riesensauerei und Kungelei par excellence. Das muss öffentlich diskutiert und soll auch durchaus im öffentlichen Diskurs mit entsprechender Schärfe gebrandmarkt bzw. „verurteilt“ werden. Daraus sind Konsequenzen abzuleiten, idealerweise durch Setzung verbindlicher, fairer Regeln für die Zukunft.
Aber von den dafür zuständigen Stellen. Gerichte sind grundsätzlich nicht dafür da, sich an diesem Diskurs mit einem Autorität verheißenden Statement zu beteiligen oder Dinge zu reparieren, die an anderer Stelle und über viele Jahre hinweg verschlampt wurden.
Finde ich gar nicht so off-topic. :)
Natürlich empfinden Sie das nicht als off-topic. Sie möchten sich ja gern darüber unterhalten. ;)
Die Formulierung „etabliertes Verfahren etc.“ sollte lediglich eine Konkretisierung von „Wurde schon immer so gemacht“ (siehe Vannay, #29) sein und war schnell zur Hand, ist aber dennoch etwas unglücklich. Das räume ich ein. Zumindest in der Theorie wäre ja tatsächlich ein Verfahren denkbar, das Chancengleichheit gewährleistet, mit ernsthafter (Seltsamerweise habe ich das Gefühl, das dazu schreiben zu müssen.) öffentlicher Ausschreibung etc. – also eines, das die wohl auch von Ihnen gewünschten fairen Regeln enthält – und trotzdem nirgendwo kodifizert ist. Diese Art Gewohnheitsrecht liegt bloß nicht vor.
„Autonome Freiheit und Gestaltungsmacht der Satzungsversammlung“ ist letztlich die aktuelle Problembescheibung. Wie stellen Sie sich eine Veränderung vor ohne einzugreifen? Auf Einsicht hoffen? Beten? :)
Sollte der Gesetzgeber irgendwann tatsächlich mal tätig werden und eine gesetzliche Regelung treffen, wäre diese ja ebenfalls ein Eingriff in obiges.
Dass der Gesetzgeber nicht einfach so das Grundgesetz schleifen darf, erscheint mir als feature. Eine Eigenart von Mindeststandards ist es, dass sie nicht besonders hoch sind. Das würde auch für jene gelten, die sich aus dem Grundgesetz ableiten, eben weil die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers nicht zu stark eingeschränkt werden soll. Letztlich ist eine Einschränkung der Gestaltungsmacht eine Zwangsläufigkeit, wenn bspw. das BVerfG Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte konkretisiert.
Gerichte befassen sich nicht mit dieser Sache, um Recht zu setzen, sondern – so vermute ich mal ganz stark – da Markus Kompa geltend gemacht hat, in seinen Rechten verletzt worden zu sein. Immerhin hatte er sich beworben und wurde nicht berücksichtigt. Ich kann Ihnen also nicht folgen, wenn Sie sich über gerichtliche Diskursbeteiligung auslassen. Abgesehen davon scheint mir, ohne Kompas Engagement würde das Thema (noch) weniger öffentlich beachtet werden.
Selbstverständlich können einfach von den zuständigen Stellen verbindliche, faire Regeln gesetzt werden. Das galt schon für die Vergangenheit und wird auch für die Zukunft gelten. Wer würde sich dem je verweigern? ;)