#Freizeitfake

Gefälschte Interviews? Sandra Bullock verklagt die „Freizeitwoche“

Vor dem Hamburger Landgericht beginnt morgen ein Prozess zwischen Sandra Bullock und der „Freizeitwoche“. Die Zeitschrift hatte in den vergangenen Jahren mehrere „Exklusiv-Interviews“ mit der Schauspielerin veröffentlicht. Laut Bullock hat jedoch keines davon je stattgefunden. Stattdessen wurden die so genannten Interviews offenbar in Tom-Kummer-Manier aus diversen Versatzstücken anderer Gespräche montiert – oder einfach frei erfunden.

Vier Interviews mit Sandra Bullock mit den Überschriften: "George Clooney macht mich einfach an", "Ich habe einen kleinen Teufel in mir", "Die perfekte Ehe gibt es nicht" und "Ich bin wie ein Elefant - ich vergesse nie!" Eines der Interviews trägt den Titel "FREIZEITWOCHE trifft Sandra Bullock", die anderen "Exklusiv-Interview"

Gegen fünf dieser „Interviews“ klagt Bullock nun; ein weiteres ist bereits verjährt. Die Schauspielerin fordert Unterlassung, Geldentschädigung und eine Richtigstellung. Verhandelt wird außerdem eine Klage ihres achtjährigen Sohnes, weil die „Freizeitwoche“ in einem der „Interviews“ ein Paparazzifoto von ihm gedruckt hat. Bullock ist damit der erste Hollywoodstar, der sich gegen mutmaßlich gefälschte Interviews in einem deutschen Klatschblatt wehrt.

Insgesamt hat die „Freizeitwoche“ (herausgegeben von den Verlagen Bauer und Klambt) über zehn Jahre hinweg mehr als 300 solcher „Exklusiv-Interviews“ mit Hollywoodstars abgedruckt. Nach Recherchen von Übermedien (siehe Kasten) deutet vieles darauf hin, dass etliche davon gefälscht wurden. Auf Anfrage bestätigten uns auch die Sprecher der Schauspieler Sean Connery, Catherine Deneuve und Roger Moore, dass die „Interviews“ der „Freizeitwoche“ mit ihren Klienten nie stattgefunden hätten.

Der Chefredakteur der „Freizeitwoche“ dementierte die Vorwürfe auf Anfrage von Übermedien vehement: „Zu Ihrer haltlosen Unterstellung gibt es von mir nur klare Antwort [sic]: Wir fälschen keine Interviews!“ Die Redaktion bekomme diese von „erfahrenen Korrespondenten“ im Ausland und von „freien Mitarbeitern, mit denen wir seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeiten“.

Bloß: Wenn die Vorwürfe tatsächlich so haltlos sind und die „Freizeitwoche“ in Wahrheit immer sauber gearbeitet hat – dann hätte das Klatschblatt ja einfach so weitermachen können. Doch schon kurz nachdem wir im Herbst 2016 berichtet hatten, hat sich einiges geändert.

So wurden die Interviews mit Stars nicht nur um ein Drittel gekürzt, auch Formulierungen wie „Exklusiv-Interview“ oder „FREIZEITWOCHE trifft …“ verwendet die „Freizeitwoche“ nun nicht mehr. Und während die „Interviews“ über zehn Jahre lang konsequent anonym erschienen waren, steht inzwischen immer der Name des Autors oder einer Agentur dabei.

„Freizeitwoche“-Interviews früher (oben) und heute (unten).

Auch inhaltlich hat sich einiges getan. Plauderten die Stars sonst immer überraschend ungehemmt über sexuelle Vorlieben, Drogenprobleme, Selbstmordversuche und andere intime Dinge, geht es mittlerweile viel ruhiger zu, distanzierter. Auch falsche Behauptungen haben wir seitdem keine mehr entdeckt. Früher kam das immer wieder vor: Der Schauspieler Richard Gere, zum Beispiel, erzählte angeblich, seine Großväter hätten Homer und James geheißen – dabei hießen sie Albert und William.

Alles bloß Zufall? Oder kommen die Interviews jetzt anders zustande? Und wenn ja: Wie sind sie zuvor entstanden? In der Gerichtsverhandlung muss sich die „Freizeitwoche“ nun erklären, jedenfalls gegenüber Sandra Bullock. Ein Urteil in diesem Fall könnte, je nach dem wie es lautet, auch Anlass sein für andere Stars, gegen Interviews vorzugehen, bei denen sie nie dabei waren.

7 Kommentare

  1. Ich danke für diese exzellente Gerichtsszene (Ich kannte Kentucky Fried Movie nicht, das wird aber unbedingt nachgeholt) und hake bei Schmidt123 investigativ nach: Wer wird wo als Journalist bezeichnet?

  2. Ach, der Kummer war gemeint. Danke. Ja, er hat ja auch die zweite Chance im Reportagen-Magazin (Drogentrip durch Amerika) nicht genutzt sondern weiter fleißig resteverwertig zusammengestückelt. Schade; wären die Reportagen real gewesen, hätte ihnen durchaus Spannung innegewohnt.

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