Die lukrative Tagungstournee der Reisejournalisten
Wenn sich die Journalisten heute zum „festlichen Abendessen“ mit dem Bürgermeister und anderen Vertretern der Stadt treffen, geht das Zanderfilet an Rotweinsauce sicher aufs Haus. Immerhin steht für die Gastgeber einiges auf dem Spiel — sie wissen: Wenn sie sich gut anstellen, könnte das für sie hunderttausende Euro wert sein.
Denn die Stadt — Papenburg im niedersächsischen Emsland — hat in diesen Tagen hohen Besuch: Die Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ) ist vorbeigekommen, um ihre jährliche Hauptversammlung abzuhalten.
Über 200 Mitglieder zählt die VDRJ, darunter Zeitungsjournalisten, Redakteure des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, freie Reporter und PR-Leute. Jedes Jahr treffen sich einige von ihnen zur Hauptversammlung in einer bestimmten Stadt, wo sie dann einerseits den üblichen Vereinskram durchgehen (also: Wahl des Vorstandes, Bericht der Kassenprüfung usw.), andererseits aber auch das machen, was Reisejournalisten eben machen: die Stadt erkunden und anschließend über sie berichten.
In diesem Jahr also über: Papenburg. Die Stadt hatte sich als Austragungsort beworben und sich dabei gegen ihren Mitbewerber Dresden durchgesetzt.
Eine einzigartige Chance sei das, versprach der Geschäftsführer der Papenburg Marketing GmbH vor Kurzem im städtischen Ausschuss für Wirtschaft, Kultur und Tourismus. Denn der Werbeeffekt für die Stadt sei enorm:
„Die Veranstaltung gilt als jährliche Hauptversammlung [der VDRJ] und bietet der Stadt Papenburg die einmalig gute Möglichkeit, sich diesem Fachkreis vorzustellen. Eine Auswertung der Clippings der vergangenen Jahre ergaben jeweils Mediavolumina über 250.000 € Anzeigen-Äquivalent“.
Hui! Na da kann man auch ruhig mal den Zander springen lassen.
Und nicht nur den: Fast 20.000 Euro zahlt die Papenburg Marketing GmbH für den Besuch der Journalisten. Einen Teil dieser Kosten übernimmt die Stadt, die Übernachtungen zahlt das Hotel, wie aus den städtischen Sitzungsunterlagen hervorgeht.
Da ziehen sie also alle an einem Strang, schließlich muss den Medienleuten auch was geboten werden. Denn wie die VDRJ den Papenburgern im Vorhinein erklärte, sei „der Erfolg des medialen Widerhalls abhängig von der Präsentation des Gastgebers“. Heißt also: Je besser es den Journalisten während ihrer Tagung ergeht, je besser sich die Stadt präsentiert, desto breiter und positiver wird danach die Berichterstattung ausfallen.
Also wurde für die Gäste ein „vielfältiges Rahmenprogramm“ organisiert: eine Kanufahrt auf den Papenburger Kanälen; Besichtigung der berühmten Meyer-Werft, in der Kreuzfahrtschiffe gebaut werden; Besuche im Freilichtmuseum und in Gartenbaubetrieben; eine Fahrt auf dem Segelschiff „Gesine“ — und eben das „festliche Abendessen“ mit Repräsentanten der Stadt, unter anderem mit dem Bürgermeister, dem Kulturbeauftragten und Mitgliedern des Wirtschafts-, Tourismus- und Kulturausschusses.
Das ist natürlich, milde ausgedrückt, alles nicht ganz unproblematisch. Man stelle sich nur mal vor, hier ginge es nicht um Reise-, sondern um Wirtschaftsjournalisten, die sich zu ihrer jährlichen Hauptversammlung in einem bestimmten Unternehmen treffen, wo ihnen der Vorstand erst mal die schönsten Ecken der Firma zeigt, sich bei einem netten Dinner mit ihnen unterhält und sie mehrere Tage lang bespaßen und verwöhnen lässt, weil er weiß, dass sie sich dafür mit zahlreichen Artikeln revanchieren werden.
Dem Vorsitzenden der VDRJ, Rüdiger Edelmann, der viele Jahre im ARD-Hörfunk gearbeitet hat, ist diese Problematik durchaus bewusst. Bloß: So sei das nun mal im Reisejournalismus. Diese „Uralt-Diskussion“ gebe es ja auch immer wieder bei Pressereisen. Die Befürchtung also, dass Journalisten, die auf eine Reise eingeladen werden, weniger kritisch berichteten. Dieses Problem könne man sehen, man könne es aber auch nicht sehen, sagt Edelmann. Würde man jede Form der Einflussnahme ablehnen, könne man diesen Beruf jedenfalls kaum ausüben. Nur die wenigsten Redaktionen würden heutzutage noch Reisen finanzieren, und weil man ja nicht alles aus eigener Tasche zahlen könne, sei man als Reisejournalist eben auf gewisse Arrangements angewiesen. Mit diesen Konflikten müsse man leben.
Aber sollte man nicht versuchen, solche Konflikte zu vermeiden? Statt sie selbst zu provozieren, indem man seine Jahreshauptversammlung zu einer Marketingveranstaltung werden lässt? Machen sich die Journalisten damit nicht zu Werbebotschaftern der Stadt?
„Was die Stadt aus uns macht, ist die eine Sache. Was wir aus der Stadt machen, die andere“, sagt Edelmann. Er glaube nicht, dass dadurch seine journalistische Unabhängigkeit gefährdet sei; er würde auch kritisch über Papenburg berichten, wenn er während der Tagung einen Anlass dafür sehe. Auf dem Programm stehe immerhin auch eine Podiumsdiskussion, auf der auch kritische Dinge angesprochen werden sollen, etwa die negativen Seiten von Kreuzfahrten. Einen Deal mit der Stadt, nach dem Motto: Ihr beschert uns eine gute Zeit und wir liefern euch viele tolle Artikel, gebe es auf jeden Fall nicht.
Gut, vielleicht keinen direkten, aber wenn man der Stadt einen „medialen Widerhall“ im Wert von vielen tausend Euro in Aussicht stellt, der „abhängig von der Präsentation des Gastgebers“ ist, kommt das so einem Deal doch schon ziemlich nahe. Und selbst wenn die Journalisten sich wirklich vornehmen, unabhängig zu bleiben und auch über negative Aspekte zu berichten, ist es doch nicht allzu wahrscheinlich, dass sie auf solche Aspekte stoßen, wenn das Programm darauf zugeschnitten ist, vor allem die guten Seiten zur Geltung zu bringen.
Aber wer weiß, vielleicht finden die Journalisten das Zanderfilet heute Abend ja so mies, die Kanutour so langweilig und Papenburg im Allgemeinen so doof, dass es die Stadt schon bald bereuen wird, die Truppe eingeladen zu haben.
Vermutlich werden die Berichte aber doch eher so klingen wie der, der vor einer Weile auf der VDRJ-Website erschienen ist — dafür hatte ein Mitglied die Stadt schon mal im Vorfeld der Tagung erkundet. Überschrift:
Tjaha, die Marketing-Agentur einer 36.000 Einwoher-Stadt scheint das Problem recht genau sehen zu können.
Jetzt ist Reisen natürlich zugegeben teuer (so billig wie noch nie wahrscheinlich), daher ist es für den einzelnen Reisejournalisten sicherlich nicht immer einfach und der ein oder andere Kompromiss wird eingegangen. Okay.
Warum aber der Verein für seine (jährliche) Hauptversammlung genauso äh Arrangements eingeht, ist, denke ich, auch eine spannende Frage. Die man sehen kann. Oder auch nicht sehen kann.
Herr Edelmann hat Recht: Diese Diskussion ist uralt. Weil es seit Jahrzehnten gute Gründe für sie gibt, die aber nicht angegangen werden, und zwar nicht erst heutzutage. Wer auch nur lose Kenntnis des Reisejournalismus hat, der weiß, wie durch und durch verrottet diese Branche immer war.
Guter und wichtiger Bericht, keine Frage!
Und wenn man sich dann erstmal europäische Automobilreporter anschaut, die die neuesten Nobelhobel durch Südamerika cruisen..da wartet auch gerne mal eine „schöne“ Überraschung im Hotelzimmer nach dem harten Arbeitstag zwecks Entspannung, natürlich alles komplett gesponsort.
Da sind Essen und Paddeltour ja fast peanuts, oder?
@3: Als weibliche Reporterin oder schwuler Reporter, kriegt man dann männliche Prostituierte auf’s Zimmer, wissen Sie das zufällig auch?
Ich meine, man wär‘ ja komplett doof, wenn man bei diesen Aussichten nicht sofort Reisejournalist wird.
Sehr geehrter Herr Schönauer,
ich hatte schon bei unserem Gespräch am vergangenen Mittwoch eine leise Vorahnung, was für eine Art Artikel Sie im Sinne hatten – und dann ja auch geschrieben haben.
Schade, dass Sie sich nicht die Mühe gemacht haben, das Programm genauer zu recherchieren. Schade, dass Sie wichtige Details unseres Telefongesprächs „vergessen“ haben zu erwähnen: Die „korrupte“ Reisejournalisten-„Truppe“ hat für ihren Hotelaufenthalt sehr wohl bezahlt. Ich bin, genauso wie die weiteren 54 Teilnehmer, nach dem Begleichen einer Übernachtungsrechnung am gestrigen Sonntag nach Hause gefahren. So wie im Übrigen in all den anderen Jahren und bei allen früheren Hauptversammlungen auch.
Weiterhin möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es beim Abendessen am Freitag keinen Zander, sondern Wolfsbarsch gab. Der kam zusammen mit Wirsing und einem Risotto auf den Teller. Bei der Vorstellung von Zander auf Rotweinsauce hat es alle Anwesenden der Tagung, inklusive des örtlichen Küchenchefs, geschüttelt. So gering offensichtlich Ihre kulinarischen Kenntnisse sind, so gering war auch die Sorgfalt Ihrer Recherche. Wäre sie es gewesen, hätten Sie sicher gewusst, dass das finale Besichtigungsprogramm weder eine Kanutour noch die von Ihnen angedeutete Fahrt auf der „Gesine“ beinhaltete. Dass die Verquickung des Fotos aus einem alten Artikel darüber hinaus presserechtlich fragwürdig ist, wissen Sie natürlich.
Wesentlich schlimmer ist aber Ihr Versäumnis, dass Sie entscheidende Passagen unseres Gesprächs nicht in Ihren Text aufgenommen haben.
Ich berichtete über die Problematik der Jobausübung von Reisejournalisten. Ich erzählte Ihnen, dass in den letzten Jahren, dank der Verlagsfusionen sowie der Reduzierung von Reiseteilen und -sendungen in Hörfunk und Fernsehen, viele freie Kolleginnen und Kollegen am Rande der Armutsgrenze arbeiten und leben. Ich sprach vom Zwiespalt unserer Branche, die bei ihren Recherchen auf die Unterstützung von Reiseindustrie und Zielgebieten angewiesen ist. Denn weder öffentlich-rechtliche noch private Sender, geschweige denn Verlage, stellen ihren Reiseredaktionen einen Etat zur Verfügung, der es ermöglicht, auf eigene Kosten zu recherchieren. Ich erzählte Ihnen auch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu übergegangen ist, die Teilnahme an organisierten Recherchereisen zu untersagen. Sie ist nur erlaubt, wenn der Sender die Reisekosten übernimmt. Da es dafür aber keinen Etat gibt, musste sich inzwischen eine Vielzahl von Reisesendungen von Bildschirm und Mikrofon verabschieden. Ich berichtete Ihnen, dass eine eigenfinanzierte Recherchereise für Journalisten im finanziellen Desaster endet, wenn Zeitungen für Berichte mit 6.000 Zeichen inklusive zweier Fotos und der oftmals eingeschlossenen Zweitverwertung ein „großzügiges“ Honorar von 80 Euro anbieten.
Stattdessen haben Sie mir die nicht getätigte Äußerung, man sei „auf gewisse Arrangements“ angewiesen, untergeschoben. Dies spricht, mit aller Vorsicht gesagt, nicht für Ihre journalistische Leistung beim Umgang mit dem Thema.
Unsere jährliche Mitgliederversammlung in Ihrem Text als „Marketingveranstaltung“ zu bezeichnen ist nicht nur frech, sondern auch falsch.
Auf Besichtigungen entfielen sechs Stunden des insgesamt 21-stündigen Tagungsprogramms, in dessen Fokus primär die Arbeitstreffen der Mitgliederkreise standen, die große Hauptversammlung, ein BarCamp sowie eine Podiumsdiskussion. Und auch die so despektierlich benannten Besichtigungen sind für Reisejournalisten nun mal immer eines: nämlich Arbeit. Recherchearbeit, um genau zu sein: Gesprächspartner interviewen, O-Töne generieren, fotografieren … Eben Inputgeber für Reisegeschichten, aufmerksames Zuhören inklusive.
Wir sprachen auch über das zusätzliche Problem, der immer öfter engagierten „Marketing-Influencer“, die gegen Honorar ihre bebilderten Werbebotschaften von Zielgebieten in der „Social-Media-Welt“ verbreiten – und dies längst nicht immer als das kennzeichnen, was es ist: Werbung. Solche Maßnahmen vernichten auf Dauer einen engagierten Reisejournalismus. Dieses Themenfeld könnte von „übermedien.de“ gern mit einer sorgfältigen und kompletten Recherche thematisiert werden. Es dürfte sich, in Sachen Medienkritik durchaus lohnen, den Blick über den Tellerrand zu werfen, statt in ein unreflektiertes und faktenunterschlagendes „Reisejournalisten-Bashing“ einzustimmen und die berufsständische Organisation der deutschen Reisejournalisten als „Truppe“ zu bezeichnen, die quasi als schnorrende Wegelagerer durch die Welt zieht.
Falls Sie tatsächlich seriös arbeiten, werden Sie meine Stellungnahme, in der Funktion als Vorsitzender und Sprecher der VDRJ, ebenfalls in Ihrem Dienst veröffentlichen. Danach können wir gerne weiter diskutieren.
Rüdiger Edelmann
Lieber Herr Edelmann,
wenn es den Küchenchef beim Gedanken an Zanderfilet mit Rotweinsauce so sehr schüttelt, sollte er es lieber schnell von der Speisekarte nehmen.
Dass Sie Ihren Hotelaufenthalt selbst übernommen haben, ist löblich, geplant war es vor Erscheinen unseres Artikels aber ein wenig anders. In der Beratungsvorlage des städtischen Ausschusses für Wirtschaft, Tourismus und Kultur heißt es: „Die Veranstaltung der VDRJ kostet dem Ausrichter ca. 19.500,- €. Davon übernimmt das Hotel Alte Werft in Form durch kostenlose Zurverfügungstellung der Übernachtungen einen Betrag von 6.000,- €.“
In derselben Vorlage findet man übrigens auch das Rahmenprogramm, das für Sie geplant war – „ein Besuch der Meyer Werft, der Besuch von Gartenbaubetrieben, die Besichtigung der Von Velen Anlage und Gut Altenkamp, Fahrten mit der ‚Gesine‘ oder auch mit Kanus durch die Papenburger Kanäle“.
Schade jedenfalls, dass Sie den Kern meiner Kritik ignoriert haben. Aber ich probiere es einfach noch mal. Warum versuchen Sie nicht, solche Konflikte zu vermeiden, sondern provozieren sie selbst? Denn natürlich wird Ihre Mitgliederversammlung, wenn Sie der ausrichtenden Stadt vorher einen „medialen Widerhall“ versprechen, der abhängig ist von ihrer „Präsentation“, für die Gastgeber vor allem eines: eine Marketingveranstaltung.
Wuff … Getroffenen Hunde bellen.
Lieber Herr Schönauer,
eventuell verfügt das Hotel über mehrere Küchenchefs. Die Reaktion wurde mir, beim abendlichen Gespräch von Hotelinsidern zugetragen. Aber Formulierungsspaß zur Seite.
Was in einem städtischen Ausschuss diskutiert wurde, entzieht sich unser beider Kenntnis. Ich war nicht dabei, Sie auch nicht. Sie beziehen sich auf einen Zeitungsartikel. Ich kann nur sagen, das mit der Übernachtungseinladung stimmt nicht und hat nie gestimmt, weder in Papenburg noch in den Zielen unserer vorangegangenen Tagungen. Es spielt aber letztlich keine Rolle, da Sie mir nicht glauben möchten, weil ein anderes Medium (die Ems-Zeitung) das Gegenteil schreibt.
Wir sehen die jährliche Mitgliederversammlung als eine Tagung in einem Ort, mit dem wir vorher über die Chance reden, Übernachtung, Tagung, unsere Inhalte und ein Rahmenprogramm zu einem gemeinsamen Paket für unsere Mitglieder zu schnüren. Dieses touristische Rahmenprogramm gibt dem örtlichen Partner die Chance Reisejournalisten zur Berichterstattung in seinen Ort bzw. seine Region zu holen. Für uns, als Verband, ist es die Chance Mitgliedern, durch die Berichterstattung eine Chance zur Refinanzierung des Tagungsbeitrags und ihrer Reisekosten zu ermöglichen. Die teilnehmenden Städte haben sich dafür bei uns beworben und natürlich verspricht sich jeder Gastgeber eine Berichterstattung und ist deshalb bestrebt seinen Ort in einem guten Licht darzustellen. Der potentielle Mediawert wird von den Gastgebern abgefragt. Wir geben Auskunft, welche Werte vorangegangene Tagungen erreicht haben.
Was für den Austragungsort Marketing ist, sehen wir als ein zusätzliches inhaltliches Angebot für unsere Mitglieder in Sachen Information. Es wäre selbstredend einfacher, wenn Reisejournalisten finanziell so abgesichert wären, dass all Dies ausschließlich auf deren Kosten arrangiert werden könnte. Dies ist aber nicht der Fall. Die Gründe dafür habe ich in meiner ersten Stellungnahme geschildert.
Letztlich geht es Ihnen doch darum, beweisen zu wollen, dass die VDRJ ein bestechlicher Verein ist. Umgekehrt möchte ich belegen, dass wir es nicht sind. Ich fürchte, wir werden nicht zusammenkommen, da Sie unsere aufgeführten Gründe offensichtlich nicht nachvollziehen wollen. Wenn Sie auch in Zukunft schreiben, dass Reisejournalisten eine durchweg verdorbene und bestechliche „Truppe“ sind, werden wir es nicht verhindern können.
Freuen würde ich mich hingegen, wenn sich übermedien.de in einer gut recherchierten Geschichte mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation von Reisejournalisten beschäftigen würde und den moralischen Zeigefinger dort erhebt, wo die Gründe für die Misere liegen. – Bei dieser Gelegenheit könnten Sie auch einen detaillierten Blick auf Influencer und „youtube-Helden“ werfen, die Werbung gegen Bezahlung liefern und damit als die Berichterstatter der Zukunft überall in der Reisebranche Einzug halten. Bei diesen Partnern kann nämlich unter Marketinggesichtspunkten nichts schief gehen: Positives gegen Bares, ein klares Geschäft. So einfach machen es Journalisten der Reisebranche nicht. – So warte ich dann gespannt auf Ihre Beschäftigung mit der anderen Seite der Medaille.
Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Edelmann
1. Vorsitzender & Sprecher der VDRJ
@Rüdiger Edelmann:
Nein, das tue ich nicht. Ich beziehe mich – wie mehrfach erwähnt – auf die Unterlagen des Ausschusses, die auch Sie kennen würden, wenn Sie sich Ihrerseits ein bisschen Mühe bei der Recherche geben würden, sie sind nämlich für jedermann öffentlich einsehbar.
Das habe ich nicht geschrieben und das will ich auch nicht beweisen. Mir geht es bloß darum, dass Sie sich ohne Not in einen vermeidbaren Interessenskonflikt begeben, aber das scheinen Sie nicht verstehen zu wollen.
@ Mats Schönauer
Ich denke wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es keine neuen Argumente gibt, die man austauschen könnte. Alles ist gesagt und je nach Blickwinkel lohnt es nicht weitere Energie zu investieren, da sich in der Grundeinstellung auf beiden Seiten nichts ändern wird. Beenden wir also die Debatte.
Bei meiner Themenempfehlung in Richtung „wirtschaftliche Situation von Reisejournalisten“ bleibe ich. Wenn Sie dort einsteigen und hinter die Kulissen schauen, werden Sie sicher auch in Erfahrung bringen, dass sich die schreibenden Kollegen im Moment in einer ziemlich desolaten Situation mit wenig Perspektive befinden. – Ich freue mich auf eine spannende Hintergrundstory in die Sie bestimmt die gleiche Energie stecken, die sie auch bei der aktuellen Recherche investiert haben. Falls Sie recherchieren und dann veröffentlichen, freue ich mich auf einen Hinweis Ihrerseits. Eventuell verstehen wir uns nach einer solchen Recherche sogar besser.
Mit kollegialen Grüßen
Rüdiger Edelmann
Bei der Beurteilung des Sachverhaltes sollte man berücksichtigen, dass es sich beim so genannten Reisejournalismus de facto um ein sehr spezielles Genre handelt, das nicht mit den Maßstäben anderer journalistischer Ressorts zu messen ist. Auch die Erwartung der Rezipienten ist eine ganz andere.
Der Vergleich mit den z. B. von Autoherstellern veranstalteten Pressereisen mit aufwändigem Rahmenprogramm hinkt insofern stark, als die damit verbundenen Annehmlichkeiten und Vergünstigungen in der Regel nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem jeweiligen Produkt stehen, sondern lediglich dazu dienen, eine Atmosphäre der Sympathie und des Wohlwollens zu schaffen, die sich möglichst positiv auf die Beurteilung des eigentlichen(!) Produktes auswirken soll.
Das ist bei Reisezielen anders. Stadtführungen, Bootsfahrten, Theater- und Restaurantbesuche sind hier nicht unlauteres Rahmenprogramm, sondern wesentlicher Teil der Produktpräsentation. Deshalb finde ich es für beide Seiten nicht nur legitim, sondern im Grunde sogar selbstverständlich, solche Gelegenheiten zu nutzen. Dass diese Form der Information und Recherche auch sehr viel Spaß macht, kann man den Reisejournalisten ja kaum vorwerfen.
PS: Was den Streitpunkt „Hotelkosten“ betrifft: Vermutlich hat das Hotel seine Leistungen nicht gänzlich „kostenlos“ zur Verfügung gestellt, sondern nur einzelne Teile bzw. Sonderkonditionen eingeräumt. Das würde sowohl den Posten in der Aufstellung der finanziellen Aufwendungen seitens der Gastgeber erklären, als auch die Angabe der Journalisten bestätigen, sie hätten die Übernachtung selbst gezahlt.
@ Axel E.
Da ich mit diesem sehr speziellen Genre – wie Sie es nennen – bislang nicht sonderlich viel anfangen konnte, habe ich die Frage, was denn die Erwartungen der Rezipienten sind. Vielleicht habe ich ja schlicht die falschen Erwartungen. :-)
@Axel E. – Gerade weil „Stadtführungen , Bootsfahrten, Theater- und Restaurantbesuche … wesentlicher Teil der Produktpräsentation“ sind, sollte man sich davon sehr fern halten: Sonst schreibt man nämlich über ein anderes Produkt als über das, das der Leser erhält, der da dann arglos hinfährt.
Im Übrigen: Wenn sich Reisejournalismus wegen der Knausrigkeit von Verlagen nicht rechnet, kann man es ja auch sein lassen. Es muss keine Berichte über das schöne Papenburg geben. Schon gleich nicht, wenn ich als Gast ohne Marketing-Einladung damit rechnen muss, dass es für mich nicht ganz so schön ist.
@Telemachos (sorry, jetzt erst mitbekommen):
„[…] Vielleicht habe ich ja schlicht die falschen Erwartungen.“
Möglich. Wahrscheinlich haben aber auch Sie schon mal im Reiseteil Ihrer Tageszeitung geblättert und dabei festgestellt, dass die betreffenden Seiten von stimmungsvollen Bildern beeindruckender Naturlandschaften, romantischer Sonnenuntergänge und pittoresker Altstadtgässchen dominiert werden. Überall scheint die Sonne, auch aus den dazugehörigen Texten. Und genau das erwartet der Leser in der Regel auch.
Nach den vielen, zumeist eher unerfreulichen Meldungen und Berichten zu politischen, sozialen und sonstigen Missständen vielerorts möchte er sich hier, im Reiseteil seiner Zeitung, den schönen Seiten der Welt widmen, an entfernte Orte träumen und vielleicht gedanklich seinen nächsten Urlaub oder Ausflug planen (Papenburg soll ganz interessant sein, wie man hört).
Diese Erwartungen und Sehnsüchte zu befriedigen ist Hauptanliegen des Reisejournalismus. Was in den meisten anderen Genres (zu Recht) verpönt ist, ist hier nicht nur legitim, sondern zielführend: Eine Sache, ein Thema von vornherein positiv anzugehen, in diesem Fall also vorrangig die sehens- und erlebenswerten Seiten einer Region, eines Ortes oder Landes darzustellen und Gründe zu nennen, warum es sich lohnen könnte, dort hinzufahren. Kritische Anmerkungen oder Hinweise auf weniger schöne Aspekte sind dabei keineswegs ausgeschlossen, erforderlich aber nur, wenn sie für das Erlebnis vor Ort von wesentlicher Bedeutung sind. Der Ansatz ist jedenfalls ein ganz anderer.
Womit ich die Definition von Reisejournalismus nicht generell auf hübsch bebilderte Tourismuswerbung reduzieren will, aber hier geht es ja um die Vorstellung von Reisezielen. Und zu deren Beschreibung und Bewertung gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Konsumgütern keine objektiv zu benennenden und vergleichbaren Kriterien, weshalb man sie auch nicht erwarten sollte.
Ruhrgebiet? Spannende Industriekultur! Tirol? Fantastische Bergpanoramen! Ostsee? Tolle Strände und sehenswerte Bäderarchitektur! Papenburg? Äh, mal abwarten …
Die Entscheidung, was mehr reizt, trifft dann jeder selbst.
@Danny:
„[…] Schon gleich nicht, wenn ich als Gast ohne Marketing-Einladung damit rechnen muss, dass es für mich nicht ganz so schön ist.“
Weil „ohne Marketing-Einladung“ die Ems weniger Wasser führt, die Kanalbrücken weniger hübsch anmuten und die Trockendocks der Meyer-Werft weniger groß und beeindruckend sind?
Wie stellen Sie sich so eine Stadtmarketing-Tour für Reisejournalisten eigentlich vor? Dass entlang der Strecke schnell hübsche Fassaden aufgebaut und weniger ansehnliche Teile der Stadt großflächig verhüllt werden?
Ein Dilemma, das aber in Wirklichkeit keines sein sollte. Dem Leser muss eigentlich klar sein, dass jeder Journalist der ein Produkt beschreibt potentiell voreingenommen ist. Der deutsche Bernd ( https://www.youtube.com/watch?v=2dJKUwHFOYA ) erwart harte Zahlen, Fakten und die Wahrheit. Das tut aber das Zielpublikum nicht wirklich.
Der Leser einer Autozeitschrift erwartet schöne Bilder von schnellen und starken Autos und bestenfalls Bilder von Crashtests, damit er weiß das er den Unfall mit dem Kleinwagen überlebt. Das dabei hin und wieder auch Produktmängel aufgedeckt werden, kann nicht übertünchen, dass das ganze eine riesige Marketingshow ist. Kritik am Produkt Auto an sich ist eher unerwünscht. Aber es ist auch nicht die Stiftung Warentest, daher auch nicht der Anspruch.
Das ist bei Reisejournalisten nicht anders, nur dass eigentlich niemand erwartet das diese ihr Thema kritisch betrachten. Man könnte höchstens das Reisen an sich als einen nicht unerheblichen Teil, an dem weltweiten Schadens durch Erdölverbrennung ansehen, aber das ist in unserer Gesellschaft genau so wenig erwünscht, wie das Auto fahren an sich in Autozeitschriften zu kritisieren.
So ist es die ehre Aufgabe eines Reisejournalisten die Schönheit der Orte darzustellen. Das dies mit Aufwand verbunden ist und der Berichtenden seinen Lebensunterhalt damit bestreiten will, dürfte jedem klar sein.
Im Grunde zieht sich das durch alle, ich nenne es mal Konsumberichte/-zeitschriften. Erwartet jemand wirklich von einer Computerzeitung, dass sie über die Umweltverschmutzung bei der Gewinnung seltener Erden berichtet? Über Unfälle bei der Siliziumwaferherstellung? Oder das der Energieverbrauch von immer mehr technischen Geräten ein grosser Faktor des immer höheren Verbrauch fossiler Brennstoffe ist?
Nein, wir wollen über Computer informiert werden, so dass wir entscheiden können welches Produkt uns gefällt das wir als nächstes kaufen werden.
Das alles soll, zumindest gefühlt, neutral erscheinen, was das Dilema ist dem der Journalist immer ausgeliefert ist. (Schön, das es die Übermedien gibt, um dieses zu zeigen) Ich finde aber auch, dass dies im Falle der Reisejournalisten weder verwunderlich noch wirklich verwerflich ist – in dem Sinne das jemand einen Schaden hat, wenn Papenburg zu gut dargestellt wird.
Tatsächlich halte ich auch die von Herr Edelmann erwähnten YT „Influencer“ z.T. für angreifbarer – was aber auch schon thematisiert wurde, wenn ich mich nicht irre.
Ich denke aber auch, dem Verband wird kein grosser Schaden durch diesen Bericht damit zugefügt. Wir als interessierte Leser haben einen Einblick in die Welt des Marketings erhalten und Wissen nun ob der unterschiedlichen Bewertung eines Zanderfilets Bescheid. Und das Reisejournalsiten einen Verband haben, war mir auch bis Dato unbekannt und finde es gut. Interessengruppen müssen sich organisieren.
Daher: Wieder was gelernt, vom Ber.. – Äh Mats.