Nein, Google News: Elfriede Jelinek lebt! Screenshot: Google News
Erstaunlich, dass das immer wieder aufs Neue passiert. Abermals waren etliche Online-Redaktionen so schlagzeilenversessen, übereilig und doof, dass sie auf eine gefälschte Todesmeldung hereingefallen sind. Quelle: Internet.
Am heutigen Dienstag, um 13:40 Uhr, erschien auf dem X-Profil „@RowohltAT“ folgender Post:
„BREAKING NEWS: Die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek ist gestorben.“
Es war eine Falschmeldung von einem Fake-Account. Elfriede Jelinek lebt! Das hat der echte Rowohlt-Verlag keine Stunde nach dem Fake-Post ebenfalls auf X mitgeteilt.
Doch da hatten es zahlreiche Medien längst aufgegriffen, darunter in Deutschland: „Berliner Zeitung“, „Bild“, „Bunte“, „Focus Online“, „GMX“, ProSieben, „t-online“; auch Medien in Österreich („Kurier“, „Standard“) und der Schweiz („Blick“) verbreiteten den Fake, teilweise als Eilmeldung.
Jelinek schon mal gestorben
Dabei hätte man es ahnen können. Den gefälschten Account gibt es erst seit Februar 2025. Vor der Falschmeldung hatte er noch nichts selbst gepostet; es finden sich lediglich drei Repostings des echten Rowohlt-Accounts. Außerdem hatte der Account bereits eine knappe halbe Stunde nach seiner Falschmeldung gepostet, dass es sich um einen „Hoax“ handelt. Aber auch danach berichteten Medien noch, als wäre es echt.
Und selbst, wenn es einem als Journalist auch 2025 noch schwer fällt, echte von falschen Accounts zu unterscheiden – wie wäre es denn mit, äh, wie heißt das noch?
Ach ja … Recherche!
Also, zum Beispiel nachzufragen bei einer sicheren Quelle, bevor man etwas ausposaunt. Bei Jelineks Verlag, zum Beispiel. Zumal auf X schon einmal der vermeintliche Tod der Schriftstellerin verbreitet wurde, im vergangenen Jahr erst. Auch dieser Fake verbreitete sich.
Doch zum Recherchieren und Telefonieren haben Online-Redakteure keine Zeit. Muss schnell gehen. Und gleich auf die Smartphones pushen, ganz wichtig! Wenn überhaupt noch Redakteure involviert sind. Oft wird einfach automatisch auf die Seiten gepumpt, was irgendwo im Netz zu finden ist. Agenturmeldungen, klar. Aber auch irgendwelche Pressemitteilungen. KI-Zusammenfassungen. Hauptsache Content.
Alte Falschmeldungen
Es hört auch nie auf, dass Medien auf Fakes reinfallen, die auf X bzw. früher Twitter erscheinen. 2018 etwa schrieb das „Morgenmagazin“ der ARD einen Tweet der damaligen SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles zu – obwohl in der Profilbeschreibung „Satire“ stand. Über Jahre schafften es auch immer wieder Spaß-Tweets von einem gewissen „Harald Schmidt“ in Medien, obwohl es gar nicht der Harald Schmidt war. Das schrieben nur Medien in ihren Berichten. Und erinnert sich noch jemand an den Fake-Tweet der „Titanic“, der sogar kurz die Frankfurter Börse beeinflusste? Lange her. Und topaktuell.
Elfriede Jelinek selbst soll gegenüber der Nachrichtenagentur AFP zur aktuellen Falschmeldung, sie sei tot, gesagt haben:
„Ach, schon wieder? Es ist das zweite Mal, dass ich tot bin. Ist schon letztes Jahr passiert. Ich lebe doch.“
In die Welt gesetzt wurden der neue und der alte Jelinek-Fake anscheinend von derselben Person, einem angeblichen Italiener, der sich Tommasso (oder: Tommaso) Debenedetti nennt – und Medien bereits seit vielen, vielen Jahren verarscht. Allerdings ist fragwürdig, ob er es wirklich ist: Es ist nämlich derselbe Fake-Account, der behauptet, Debenedetti stecke hinter dem Jelinek-Fake. Passen würde es, aber wer weiß.
Einerseits amüsiere es ihn, es sei „ein Spiel“, solche Fakes zu verbreiten, hat Debenedetti (wenn er denn wirklich so heißt) in (mit Vorsicht zu genießenden) Interviews (hier oder hier) mal gesagt. Andererseits wolle er so die katastrophalen Zustände im Online-Journalismus offenlegen. Er hat leichtes Spiel. Und er schafft es immer wieder: Debenedetti hat mit Hilfe seiner Tastatur schon viele Promis vorübergehend sterben lassen.
Inzwischen haben sich die Eilmeldungen und Berichte der Online-Medien verändert: Wo vorher irrtümlich Jelineks Tod verkündet wurde, wird nun über den Fake berichtet. (Bringt ja auch Klicks, zwinker.) Der Sender ProSieben erwähnt nicht mal, dass er den Unsinn selbst auch verbreitet hat. Dort wich nun einfach die „Breaking News“ der Schlagzeile:
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war Redakteur bei der „taz“ und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Dort hat er über zehn Jahre als freier Autor für verschiedene ARD-Redaktionen gearbeitet, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“ und das Satiremagazin „Extra 3“.
Elfriede Jelinek – die Katze unter den Nobelpreisträgerinnen. Jetzt hat sie noch fünf Leben übrig (oder so).
Wo wir bei großen Künstlern sind: Alfred Brendel hat sein letztes Leben verbraucht. Schade, dass diese Nachricht nicht auch ein Hoax war…
Wenn man die Grundregeln der Gerüchteverbreitung nicht berücksichtigt, kommt halt Murks raus.
Das Einfügen der Vokabeln „offenbar“ oder „wohl“ ist in diesen Angelegenheiten stets hilfreich.
#3, „wohl“ und „offenbar“ machen es nicht besser. Schon gar nicht für den/ Scheintoten. Allerdings ist Schnelligkeit nun mal Geld wert, weil Klicks, gleich Werbung. lst so. Bei t-online gibt es dafür sogar eine eigene Gattung: Die „Drei Minuten Meldung“. Kann man kritisieren, muss man auch, landet ihm Klickranking aber stets weit oben.
Die Frage ist aber, ist der Fake so schlimm, weil er eine Eilmeldung ist, oder weil er falsch ist?
Für t-online muss ich aber sagen, ja, die sind schon g..l auf Eilmeldungen. Die allermeisten Meldungen dort werden aber durchaus vorher recherchiert, falls es nicht gerade dpa etc ist. Wahllos in eine KI kommt da nicht allzuviel.
Kann es sein, dass Boris Rosenkranz hier selbst einem Fake-Account auf den Leim gegangen ist? Auf der Website von Rowohlt sind diverse Social Media-Konten gelistet, aber keines auf „X“. Was vielleicht erklären würde, weshalb der Post bislang gerade einmal ein Dutzend „Likes“ erhalten hat.
@5 Oliver: Hallo! Auf der Startseite von Rowohlt war twitter.com/rowohlt bzw. x.com/rowohlt bis Ende vergangenen Jahres ebenfalls gelistet. Dann hat der Verlag es aus der Menuleiste genommen. (Haben wir übrigens auch gemacht.) Dass der Post so wenige Likes bekam, liegt vermutlich einfach daran, dass X für solche Zwecke einfach tot ist.
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Das gabs schon vor der Erfindung von diesem Fake News Netz.
The reports of my death are greatly exaggerated
Elfriede Jelinek – die Katze unter den Nobelpreisträgerinnen. Jetzt hat sie noch fünf Leben übrig (oder so).
Wo wir bei großen Künstlern sind: Alfred Brendel hat sein letztes Leben verbraucht. Schade, dass diese Nachricht nicht auch ein Hoax war…
Wenn man die Grundregeln der Gerüchteverbreitung nicht berücksichtigt, kommt halt Murks raus.
Das Einfügen der Vokabeln „offenbar“ oder „wohl“ ist in diesen Angelegenheiten stets hilfreich.
#3, „wohl“ und „offenbar“ machen es nicht besser. Schon gar nicht für den/ Scheintoten. Allerdings ist Schnelligkeit nun mal Geld wert, weil Klicks, gleich Werbung. lst so. Bei t-online gibt es dafür sogar eine eigene Gattung: Die „Drei Minuten Meldung“. Kann man kritisieren, muss man auch, landet ihm Klickranking aber stets weit oben.
Die Frage ist aber, ist der Fake so schlimm, weil er eine Eilmeldung ist, oder weil er falsch ist?
Für t-online muss ich aber sagen, ja, die sind schon g..l auf Eilmeldungen. Die allermeisten Meldungen dort werden aber durchaus vorher recherchiert, falls es nicht gerade dpa etc ist. Wahllos in eine KI kommt da nicht allzuviel.
Kann es sein, dass Boris Rosenkranz hier selbst einem Fake-Account auf den Leim gegangen ist? Auf der Website von Rowohlt sind diverse Social Media-Konten gelistet, aber keines auf „X“. Was vielleicht erklären würde, weshalb der Post bislang gerade einmal ein Dutzend „Likes“ erhalten hat.
@5 Oliver: Hallo! Auf der Startseite von Rowohlt war twitter.com/rowohlt bzw. x.com/rowohlt bis Ende vergangenen Jahres ebenfalls gelistet. Dann hat der Verlag es aus der Menuleiste genommen. (Haben wir übrigens auch gemacht.) Dass der Post so wenige Likes bekam, liegt vermutlich einfach daran, dass X für solche Zwecke einfach tot ist.