Sachverstand (12)

„Keine Frau atmet so während der Geburt“

Exklusiv für Übonnenten
Hebammen-approved: die ZDF-Serie „Push“ um die Hebamme Anna (Anna Schudt, l.), die Gynäkologin Dr. Charlotte Mohn (Katia Fellin, r.) und die Hebammenstudentin Greta Malinger (Lydia Lehmann, M.). Foto: ZDF/Richard Kranzin

Sie kennen sich aus, weil es ihr Fachgebiet ist. Immer wieder stolpern sie über Ungenauigkeiten und Fehler in journalistischen Berichten oder fiktionalen Formaten, die sie ärgern – und hier erzählen sie davon. In der zwölften Folge unserer Reihe „Sachverstand“ spricht die Hebamme Bettina Eisenhut darüber, welches Bild Medien von Geburten verbreiten. Unsere Autorin Kathrin Hollmer hat ihre Aussagen protokolliert. Wenn Sie auch immer wieder Falsches über Ihren Beruf oder Ihr Fachgebiet in den Medien lesen, schreiben Sie uns eine E-Mail.


„In Deutschland gebären 98 Prozent der Frauen im Krankenhaus. In den Medien werden nur selten Alternativen benannt, viele Berichte finde ich einseitig und bevormundend. Das krasseste Beispiel war für mich die Folge ‚Der gefährliche Naturtrend‘ von ‚MAITHINK X‘, in der Mai Thi Nguyen-Kim den Trend zur natürlichen Geburt kritisiert hat. Sie sagte unter anderem, dass unsere Körper nicht mehr dafür gemacht seien, was schlicht falsch ist. Ich war echt erschüttert, ihre Beiträge zur Pandemie fand ich zum Beispiel super. Auch meine Kolleginnen und Mütter, die ich zu der Zeit betreut habe, waren verunsichert, weil in dem Beitrag Geburtshäuser und Hausgeburten abgewertet wurden. Was ich gut fand, war, dass sie sagte, dass sich keine Frau für eine Bauchgeburt, so sagen wir zum Kaiserschnitt, oder eine Schmerzmittelgabe schämen braucht oder sollte.

Es ist in Deutschland gesetzlich verankert, dass eine Frau frei wählen darf, wie und wo sie die Geburt erleben will: im Krankenhaus, im Geburtshaus oder zu Hause. Medien sollten das auch widerspiegeln. Für mich ist das eine Art Empowerment, dass man Frauen zur Selbstbestimmtheit ermutigt. In der ‚Süddeutschen Zeitung‘ gab es letztes Jahr zwei Kommentare, einen, der sich gegen außerklinische Geburten ausspricht, und einen, der die Vorteile davon erklärt.

Insgesamt hat sich die Berichterstattung in meiner Wahrnehmung in den vergangenen Jahren positiv entwickelt, ich lese immer wieder ausgewogene und sensible Texte. In der ‚Süddeutschen‘ war zum Beispiel ein Portrait über eine Kollegin, die Hausgeburten betreut, das fand ich sehr fundiert. Auch lese ich mehr über Gewalt oder übergriffiges Verhalten im Kreißsaal, zum Beispiel in diesem Interview. In Erinnerung geblieben ist mir außerdem ein Artikel aus dem ‚SZ-Magazin‘, der die Geburt genau rekonstruiert, mit echten, ungestellten Bildern. Die Autorin achtet auch auf das Vokabular. Das ist beim Thema Geburt teilweise gewaltorientiert – Blasensprung, Milc…

3 Kommentare

  1. Okay, sehr netter Artikel, der auch ein Realismuscheck bezüglich einer Geburt a’la Hollywood darstellt und auch kritisch anmerkt, dass es auch tatsächlich Übergriffiges bei der Geburt haben kann, was nicht sein darf.

    Aber was ist an Begriffen wie Blasensprung oder Milcheinschuss denn bitteschön gewaltorientiert? Da wurde nur Gefühl vermittelt, keine wie sonst im Artikel auch sachliche Argumentation.

    Man sagt ja auch „Der Skifahrer kommt den Abhang heruntergeschossen“, weil das was Schnelles ist und der Begriff „Geschossen“ die militärische Konotation im Kontext des Gesagten verloren hatte.
    Und der Begriff „Milcheinschuss“ soll wohl eher verdeutlichen, dass da was im menschlichen Körper verglichen mit den meisten anderen biologischen Prozessen sehr schnell geht.
    Und es gibt Begriffe wie „Hochsprung“, „Sprung in der Platte“ (ganz alt, für Kenner alter Vinyl-Schallplatten).
    Auch hier muss man einem normal denkenden Mitbürger erklären, wo da Gewalt zu finden ist im Begriff „Blasensprung“, man kann das in dem Kontext auch deuten als „Die Blase springt auf“ oder so ähnlich. Ich schlage vor, „Blasenplatzen“, „Wasserbruch“ (wie aus dem Englischen, „The water broke“), oh, „bruch“ oder „platzen“ können ja auch schon wieder als „gewaltorientiert“ umgedeutet werden.

    Durch das Hineininterpretieren von was von wegen Gewalt in ganz normale Ausdrücke nähern wir uns ja wirklich der verweichlicht-konfliktunfähigen Welt von „Demolition Man“.
    Also, für meinen Teil bin ich in dieser Welt gerne der Edgar Friendly oder der John Sparten und rede lieber noch normal.

  2. Ich bin enttäucht über den Kommentar, weil er viele Dinge über das Hebammentum nicht einordnet oder erwähnt.

    1. Wie ist denn die „Erfolgsquote“ von Geburten die nicht im Krankenhaus ablaufen.
    a) wie viele Geburten fangen als Hausgeburt an und enden im Krankenhaus?
    b) wie viele Verletzungen entstehen bei Hausgeburten vs. Krankenhausgeburten?
    c) wie hoch ist die sterblichkeit bei Hausgeburten u. Krankenhausgeburten bei Mutter und/oder Kind?

    2. Nebenschauplatz aber wichtig, weil es um die Aufklärung von Frauen geht: Es gibt eine immens hohe Schwurbelquote bei Hebammen –> viele Hebammen stehen Homöopathie und Antroposophie nicht kritisch gegenüber und empfehlen viele Produkte weiter. Schwurbelfreie Hebammen sind so gut wie nicht zu finden in Deutschland. Wie steht die befragte Hebamme zu diesem Thema?

    3. Ich kann das Gewese um sanfte Geburten und Selbstbestimmung nicht mehr hören. Bis zur „Entdeckung“ der modernen Medizin war die Geburt einer der Todesursachen Nr. 1 bei Frauen. Ich bin einfach nur gottfroh dass ich in dieser Zeit lebe, ich brauche keine sanfte Geburt, ich bin einfach nur froh, dass die Wahrschienlichkeit, dass ich nicht sterbe, sehr gering ist. Und da wäre mir eine unsanfte Geburt wesentlich lieber als eine tödliche.

    Ich stimme zu, dass Aufklärung wichtig ist aber Panikmache um lebensrettende Maßnahmen bei der Geburt gehört nicht dazu.

  3. @1: „Demolition Man“ ist Fiktion, das wissen Sie? „300“ übrigens auch.
    Sprung, Bruch und Platzen sind konnotativ sehr ähnlich, selbstverständlich haben die Wörter was mit Gewalt zu tun (Was führt denn zu einem Bruch / Sprung / Platzen?). Einschuss auch, wer hätte es vermutet. Die Herleitung spare ich mir mal, das ist zu offensichtlich.

    „normal denkende Mitbürger“
    Ich hoffe wirklich, dass diese Denkfaulheit nicht normal ist.

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