Fake-Ausschreibung

Nicht die feine Arte

„Schweine!“, schreit einer auf Facebook. Und: „Was ist das denn für eine Scheißnummer?“ Oder, wahlweise: „Arschloch-Aktion“. Und wenn Sie nun denken, es sei wieder irgendwas mit RTL, mit der Balla-Balla-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ zum Beispiel, dann liegen Sie ausnahmsweise falsch. Es geht um Arte. Ja, genau: um jenen Kultur-Sender, der sonst selten, eigentlich nie beschimpft wird, im Gegenteil. Aber vielleicht ist der Groll nun angebracht, denn: Arte hat seine Zuschauer verarscht.

Stinkefinger: Arte-Magazin "Tracks" online
Stinkefinger: „Tracks“-Seite bei Arte Screenshot: arte.tv

Im Mai veröffentlichte die Popkultur-Sendung „Tracks“, die es seit Ende der Neunzigerjahre gibt, ein Stellenangebot im Internet: „Moderator/in für TRACKS verzweifelt gesucht“. So stand das da, und wer sich bewerben wollte, sollte einen von Tracks vorgegebenen Text in eine Kamera moderieren und das Video dann einsenden. Die Stellenausschreibung, der Text – all das wurde inzwischen wieder gelöscht. Und wie sich nun herausstellt: Es war ein Fake.

Berichtet hat darüber heute das „Sleazemag“, das seine Informationen von einer Frau hat, die der Anzeige auf den Leim gegangen ist, wie offenbar viele, viele andere auch. Diese Frau erhielt offenbar kürzlich ein Antwortschreiben von „Tracks“, in dem es es heißt, man sei ganz „überwältigt“ gewesen von der „Kreativität und der Qualität Eurer Videos“, und dass „zu Hunderten“ Bewerbungen eingegangen seien. Und wofür? Für die Katz.

Die ganze Ausschreibung war eine große Luftnummer: „Zugegebenermaßen haben wir niemals wirklich eine Moderation benötigt“, schreibt der Sender. Man habe mit der Aktion, dieser „in der Tat etwas ’skandalösen‘ Vorgehensweise einen Beitrag zum diesjährigen ‚Summer of Scandals‚ leisten“ wollen. In dieser Arte-Reihe wollte der Sender die besten Bewerbungsvideos ausstrahlen, einfach so. Was man sich vielleicht kurz vorstellen muss: Menschen bewerben sich auf eine Stelle, vielleicht – wie uns eine Bewerberin schrieb – ohne, dass ihr aktueller Arbeitgeber davon weiß. Und anschließend läuft sie dann einfach im Fernsehen. Funny, diese Pop-Menschen.

Der Sender bedauert die Aktion nun auf Anfrage von Übermedien, jedenfalls so halb: Die Aktion sei von einer Sendung gekommen, „die für ihre Originalität bekannt ist und gerne Grenzen überschreitet“. Es sei „als Witz gemeint“ gewesen. Dass dies bei den Kandidatinnen für „Verärgerung“ ausgelöst habe, tue dem Sender leid, so eine Sprecherin: „Deshalb entschuldigen wir uns sehr bei allen enttäuschten Bewerbern. Wir distanzieren uns von dem Programm und deprogrammieren es.“ Was offenbar heißt, dass die Moderations-Anwärter wieder ruhig schlafen können – ihre Clips werden nicht gezeigt.

Und, wer weiß: Vielleicht war es genau so vom Sender angelegt. Eine Fake-Ausschreibung bringen, sie als Fake auflösen, den Zorn dokumentieren – und damit zeigen, wie man so etwas herstellt: einen Skandal im „Summer of Scandals“.

18 Kommentare

  1. Armselig …

    Vielleicht sollten sich öfter Menschen vor einen Spiegel stellen und ihre guten Ideen laut vor sich hin sagen, sich fragen wie sie sich in der Rolle der Betroffenen fühlen würden und dann erst die Sache umsetzen …

    Was heutzutage alles so als witzig gilt …

  2. Denn Sie waren jung und dachten, es gäbe Geld und Ruhm dafür.
    Männchen machen optimiert … täglich upgedatete Bewerbungsratgeber schauen und lesen bereitet schon mal bestens vor, fürs blinde befolgen aller noch so mediocren Anweisungen. Hat was von Nigeria-Connection, genauer: Der Gegenaktion…

    Die dressierten, Selbst- und Lebenslaufoptimierten Äffchen sind dann empört … wenn die Einstiegsbemühungen in die vermeintlich hippe Beletage nur einem vorgetäuschten Möhrchen galten.

    So ein Video ist halt schnell gemacht und dem Möhrchen hinterhergeworfen. Denken kann man auch später noch…falls man das auch reflexiv kann.

    Wir brauchen wieder mehr Skeptizisten unter jenen, die irgendwas mit Medien machen wollen, sonst wird das nix mehr mit dem wertvollen Jornalismus.

    PS: Kann mir jemand einen politischen Bericht zur Antrittsrede und bisherigen politischen Verortung/Vita der neuen britischen PM verlinken/empfehlen, in einem deutschen Leitmedium?

    Irgendwie finde ich zwar wahnsinnig viel, ist aber alles nur komplett unpolitischer Politklatsch, egal ob ZON, SPON oder SZ.
    Dabei scheint Sie ja einige ziemlich aufsehenerregende, allerdings ziemlich unglaubwürdig-populistisch Versprechungen gemacht zu haben.

    Das nur als Beispiel für die totale Entpolitisierung der Auslandsberichterstattung in unseren Qualitätsmedien. Gut, wenn alles nur noch alternativlos ist, braucht das natürlich auch keiner mehr.

    Dann passt das auch wieder, mit den dressierten Textablesern.

  3. @3. Symboltroll:
    Ja nee, is klar. Die hippen Irgendwas-mit-Medien-MöchtegernmoderatorInnen-Äffchen sind natürlich schlicht zu doof, zu naiv und zu karrieregeil, also total selber schuld, wenn sie sich so verarschen lassen.

    Denn jeder, der sich auf eine Stellenausschreibung bei ARTE bewirbt, muss _natürlich_ auf dem Schirm haben, dass das auch nur so ein ironischer Scherz sein könnte und man mit Einsendung seines Bewerbungsvideos dem Sender automatisch die Erlaubnis gibt, dieses im regulären Programm auszustrahlen anstatt es nur im Rahmen der Personalverwaltung anzuschauen. Is doch alles meta heutzutage, dass die dressierten Leutchen das aber auch alle nicht geschnallt haben… befolgen einfach blind diese mediocren Anweisungen, unbegreiflich.

    Und das wollen kritische Journalisten sein? Ach nee, es ging ja um ne Fernsehmoderatorenstelle, also angeblich zumindest. Naja, egal. Alle voll dumm jedenfalls, ne?

  4. Der letzte Absatz ist ganz entscheidend, denn nur so würde es ja Sinn ergeben — ein „Haha, verarscht“ ist ja noch kein Skandal, sondern nur ein missglückter Sketch mit versteckter Kamera.

  5. Wenn etwas möglichst gescheit daherkommen soll und „irre originell“, vor allem aber ironisch, ein süffisant-herablassendes Ha-ha-ha, dann produzieren die Leute halt nur noch empathiefreien Mist. Auch bei arte. Nein, gerade bei arte.

  6. Welch ein riesiges mimimi der „reingefallenen“ Bewerber.

    Mal ehrlich: hätte arte diese Videos ausstrahlen dürfen, ohne vorher die Zustimmung einzuholen und die „Bewerber“ dann damit darüber in Kenntnis zu setzen, dass diese einer Luftnummer aufgesessen sind? Wohl kaum, es sei denn, es hätte irgendwo im Kleingedruckten gestanden – das bekanntlich keiner liest. In meinem Augen: Persönliches Pech – nicht mehr und nicht weniger.

  7. Noch was: Ich verstehe auch dieses „einen Beitrag zum ‚Summer of Scandals‘ leisten“ nicht.

    „Hey, wenn wir so ein paar Jobbewerber bei uns mal voll veräppeln und dann noch ankündigen, ihre Bewerbungsvideos auszustrahlen, wenn wir uns also mal ordentlich arschig verhalten – dann verärgert das die Leute bestimmt ziemlich, könnte sogar ein kleines Skandälchen werden! Und das wär doch voll witzig auch irgendwie, oder?“

    Ich mein, wo isn da der Erkenntnisgewinn oder die Originalität? _Natürlich_ erntet man Protest wenn man sich daneben benimmt, das bietet jetzt nicht gerade einen tieferen Einblick ins Skandalwesen.

    Also kurz: Was soll das?

  8. @ÜberFall:

    Stand da irgendwas von Vertraulichkeit in der Ausschreibung?
    Oder haben die Kandidaten einfach nur angenommen, das sei doch wohl selbstverständlich?

    Es soll Generationen geben, in denen der Glaube besonders weit verbreitetet ist, es gebe gewisse Selbstverständlichkeiten, die aber nichts dergleichen sind. So wie z.B. Facebook-Fans das ganze Getue um die Privatsphäre voll unhipp und rückständig finden (Nur Marc klebt seine Laptop-Kamera ab, dadada, haha).

    Haben die Bewerber, die jetzt Angst davor hatten – wie hier angesprochen- ihr derzeitiger Arbeitgeber könne das sehen, ihre Bewerbung ausdrücklich unter Vertraulichkeitsvorbehalt gestellt?

    Nein? Bei beidem?
    Na, dann, herzlich willkommen in der realen Welt. Was du heute geringschätzt, kann morgen ganz schnell unwiderbringlich weg sein.

    Und morgen:
    Skandal vor der Journalistenschule: Azubis beschuldigen den Hütchenspieler an der Ecke gegenüber, seit Wochen unlautere Tricks einzusetzen!

    Ich glaube, Arte hat hier ein gutes Werk getan. Es wird nur nicht fruchten.

    Ich verstehe übrigens, was Sie bei mir unterstellen und wieso, ÜberFall.
    Zeigen Sie mir, dass Vertraulichkeit bei der Bewerbung versprochen wurde oder von den Kandidaten eingefordert wurde … und ich entschuldige mich sofort für Großkotzigkeit!

    Und darüber, dass Vertraulichkeit auch dann, wenn sie versprochen wird, nicht immer eingehalten wird, haben wir ja noch nicht mal gesprochen. Fallen diese Kandidaten da dann auch wieder aus allen Wolken?

  9. @symboltroll

    Schon bisschen Käse, was Sie da schreiben… selbstredend muss eine Bewerbungsaufforderung nicht explizit darauf hinweisen, dass die Einsendungen vertraulich behandelt werden. Weil sich das ganz einfach so gehört! Überlegen Sie doch bitte mal, welche Daten man grundsätzlich da so preisgibt. Eben!

    Ich schreib ja auch nicht in eine Geburtstagseinladung rein, dass ich keinem meiner Gäste den Kiefer breche, wenn sie dann erscheinen – weil sich das widerum genau nicht gehört.

    Wir sind grundsätzlich weit gekommen, so als Gesellschaft. Warum also überall immer wieder von Neuem alles erkämpfen und hinterfragen? Dass viele Dinge im gemeinsamen Umgang Usus geworden sind, erfreut mich ungemein. Und von ARTE erwartet man nun einmal allumfassend weit mehr, als von RTL2 – darf man auch.

  10. @Symboltroll: Na Sie sind ja putzig und werden Ihrem Namen vollauf gerecht.

    Es ist überhaupt nicht relevant, ob die Bewerber explizit das Wort „Vertraulichkeit“ in den Mund genommen haben – so oder so dürfte ARTE die Videos nicht einfach so im Fernsehprogramm senden. Zum Einstieg informieren Sie sich vielleicht über das Recht am eigenen Bild.

    Dass es auch abseits davon mindestens ungehörig und schlechter Stil ist, mit einer Fake-Stellenausschreibung absichtlich Zeit und Geld völlig unbekannter Interessenten zu vergeuden, ficht Sie wohl auch nicht an.

  11. Zum Glück lassen sich bei Ihren Schnellschüssen gar keine Verbindungen zu Ihrem Namen herstellen.

    Sie bemühen ernsthaft das „Recht am eigenen Bild“, welches zutiefst verletzt wurde, durch eine mediale Verwertung eines Probelaufs für eine Medienmoderation? Was kommt als nächstes? Überfällt Sie morgen heilige Empörung, wenn Sie davon hören, dass RTL Castingshowbewerbungsvideos für die Teilnahme an Castingshows in Castingshows verwertet?

    Oder überfällt Sie heilige Empörung, weil Nachrichtensprecher bei der Arbeit im TV beobachtet werden können?

    Aber vor allem, unter ausdrücklichem Rückbezug auf die von mir angesprochene, neue Naivität:
    Woher nehmen Sie diese steile Behauptung:

    „So oder so dürfte ARTE die Videos nicht einfach so im Fernsehprogramm senden. Zum Einstieg informieren Sie sich vielleicht über das Recht am eigenen Bild.“

    Einfach mal etwas klarer Zuordnen: Moderationswillige senden halt mal eine Probemoderation an irgendjemanden, der dazu aufforderte. Und fordern keine Beachtung des Rechtes am eigenen Bild ein.

    Bitte nennen Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen, die hierbei automatisch zum Tragen kommen und dem Einsendenden einen völligen Verzicht auf jegliche Vertraulichkeits-Erwägung nahelegen.

    Was ich allerdings nachvollziehen kann: Wer derart sorglos naiv handelt, den kann es geradezu überfallartig erzürnen, wenn er seiner Weltfremdheit angesichtig wird.

    Da hilft dann nur noch Skandalgeschrei! Raub! Mord! Überfall!
    Stimmts, Überfall?

    Ihren Bezug zu meinem Namen fand ich übrigens besonders originell, chapeau. Da bin ich doch sehr betroffen…

  12. Dann erinnert mich das an pegidalige Wutbürger:
    Furchtbar empört sein, auf Nachfrage noch furchtbarer empört sein und die Bitte um Substanz mit verstocktem Schweigen beantworten.

    Jetzt fühle ich mich fast schon wie Lügenpresse…

  13. Es wäre so einfach gewesen, sich abzusichern und zu wissen, weshalb man Vertraulichkeit nicht einfach so voraussetzen kann:

    http://karrierebibel.de/diskrete-bewerbung/
    https://www.semica.de/artikel/sperrvermerk-so-wird-ihre-bewerbung-vertraulich-behandelt
    http://www.schnellerzurstelle.de/bewerbungsanschreiben/sperrvermerk-vertraulich/

    Es war nicht die feine Arte, da stimme ich zu. Wer aber jetzt Skandal schreit, sollte vielleicht doch erstmal seinen eigenen Umgang mit seinen eigenen Daten hinterfragen.

    Falls demnächst einige bemerken, dass die Pokemon-Go-App tatsächlich Werbemails verschickt, die vermeintlich von deren persönlichen Mailaccount versendet werden, z.B. an den Arbeitgeber, bricht bestimmt auch wieder heilige Empörung aus, weil man behauptet, das habe man doch nicht wissen können?

  14. Merken Sie eigentlich ernsthaft immer noch nicht, dass die (nicht-)vertrauliche Behandlung von Bewerbungsunterlagen, auf der Sie die ganze Zeit herumreiten, nicht dasselbe ist wie deren Öffentlichmachung im Fernsehen? Und dass es dabei auch keine Rolle spielt, ob wir hier von angehenden Moderatoren/-innen reden?

    Ihre mehr als steile Annahme, dass es zulässig, achwas sogar realistisch zu erwarten sei, dass ein potenzieller Arbeitgeber so verfährt, nachdem die offerierte Stelle noch nicht einmal existiert, und dass weder Betroffene noch Dritte das arschig finden dürfen, sondern die wohl ein bisschen dumm und naiv sind – die wird durch stete Wiederholung nicht tragfähiger.

    Stattdessen sehen Sie mich in der Bringschuld, Ihnen „die rechtlichen Rahmenbedingungen“ von Moderationsbewerbungen vorzukauen (als ob rechtliche Aspekte der Kernpunkt der Kritik an Arte wären), damit Sie sich dann an erhofften Detailfehlern meinerseits abarbeiten und von Ihrem unsäglichen Geseier über die naiven „Äffchen“ ablenken können? Das können Sie aber mal gepflegt vergessen.

    „Furchtbar empört sein, auf Nachfrage noch furchtbarer empört sein und die Bitte um Substanz mit verstocktem Schweigen beantworten.“
    Dumm labern, bei Gegenrede weiter mit steilen Thesen aufwarten und/oder immer weiter Belege fordern, und wenn das Gegenüber die fruchtlose Diskussion abbrechen will den argumentativen Sieg für sich beanspruchen.

    Jup, typischer Troll.

    Und dabei bin ich über die Angelegenheit anders als Sie meinen noch nicht mal empört und sehe darin auch keinen ausgewachsenen Skandal, sondern allenfalls ein Skandälchen. Aber auch das ist typisch: Der Gegenseite unterstellen, wie furchtbar sie sich doch echauffiert (zur Not immer ein bisschen mit Provokationen nachhelfen, vielleicht wird ja angebissen) und sich dann drüber mokieren, dass man sich über so eine Lappalie doch nicht so aufregen muss.

    Möchten Sie hier jetzt das letzte Wort haben? Sie dürfen gerne, mir isses egal.

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