Zurückgewiesene Programmbeschwerde über den ZDF-Krimi „In Wahrheit“: Die ausführliche Begründung des Fernsehrats

„In der Programmbeschwerde vom 20.05.2019 zur Folge ‚Still ruht der See‘ der Krimi-Serie ‚In Wahrheit‘ sieht der Beschwerdeführer Boris Rosenkranz bei der Bereitstellung von Fahrzeugen der Marke BMW als Produktionshilfe die Grenze zur Werblichkeit überschritten und kritisiert die Verletzung der ZDF-Richtlinien für Werbung, Sponsoring, Gewinnspiele und Produktionshilfe.

Im öffentlich-rechtlichen Umfeld wurde die Praxis der Produktionshilfe schon immer auch kritisch gesehen. Aufgrund der besonderen gesellschaftlichen Verantwortung der öffentlichrechtlichen Sender und ihrer Finanzierung durch die Allgemeinheit kann es zu einer problematischen Vermischung mit kommerziellen Marken-Interessen kommen, die trotz des Abspann-Hinweises im kurzlebigen visuellen Alltag für den Zuschauer schwer erkennbar sind. Dennoch ist die medienrechtliche Grundlage für Produktionshilfe laut § 15 Nr. 2 Rundfunkstaatsvertrag gegeben und sie wird in verschiedenen Formaten auch im ZDF praktiziert.

Aktuell wird das Thema besonders für fiktionale Formate in den Medien intensiv diskutiert. Boris Rosenkranz veröffentlichte in diesem Zusammenhang ein Video in dem von ihm mitverantworteten Online-Medienmagazin Übermedien. Darin stellt er die grundsätzliche Frage nach der Angemessenheit von Produktionshilfe am Beispiel der Inszenierung eines bestimmten BMW-Modells.

Der Ton seines Beitrags ist ironisch: Boris Rosenkranz hat sämtliche szenischen Ausschnitte, in denen der fragliche Wagen erscheint, zu drei Clips von 10 Sekunden, 12 Sekunden und 9 Sekunden innerhalb seines Beitrags zusammengeschnitten und er kommentiert die Produktionshilfe mit verschiedenen pointiert eingesetzten O-Tönen.

Bei einer vollständigen Betrachtung des Filmes ‚In Wahrheit – Still ruht der See‘ und der Produktionshilfe erscheint der spezielle Fall allerdings weniger dramatisch, als durch die suggestive Darstellung hintereinander geschnittener Szenen mit dem beanstandeten BMW und der Frage, ob das Modell durch sogenannte ‚werbewirksame Kameraführung‘ ‚zu stark herausgestellt‘ sei, suggeriert wird.

Die Verwendung eines Autos gehört zur Darstellung kriminalpolizeilicher Ermittlungsarbeit und die szenische Einbindung wird erzählerisch genutzt, beispielsweise zur Platzierung von handlungstreibenden oder Figuren beschreibenden Dialogen. In der Folge ‚Still ruht der See‘ wird die Hauptfigur der Kommissarin Judith Mohn intensiv entwickelt. Dabei spielt ihre soziale Herkunft aus dem Milieu, in das sie nun ermittelnd eintaucht, aus dem sie aber ursprünglich auf schmerzliche Weise ausgestiegen ist, eine große Rolle. Es geht um Distinktion, darum als ‚etwas Besseres‘ gesehen und ausgegrenzt zu werden und die Frage, wie viel an Werten und sozioökonomischem Status in einen Menschen eingeschrieben wird. Daher ist für Kommissarin Mohn der Dienstwagen nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Statussymbol ihres Aufstiegs, Symbol ihres Willens zur Unabhängigkeit (auch von ihrer Herkunft), eine Art Panzer, in dem sie sich vor der mitunter feindlichen Umgebung sicher fühlen kann. Diese Funktion des Autos wird dramaturgisch an diversen Punkten verdeutlicht.

Auch die sogenannte ‚werbewirksame Kameraführung‘, die von Boris Rosenkranz angeführt wird, bewegt sich bei genauer Betrachtung der fraglichen Szenen im Rahmen einer dramaturgisch motivierten Bildgestaltung. Wenn ein Tatort oder eine andere dramaturgisch relevante Szenerie in Verbindung mit dem vorfahrenden Wagen des Ermittlerteams gezeigt werden soll, gibt es nun mal nur bestimmte Möglichkeiten für Kamera und Regie dies mit einem gewissen Schauwert, der in jeder Szene vorliegen sollte, umzusetzen.

Besonders hervorzuheben ist, dass das Markenlogo von BMW in der markantesten Szene, in der das Auto der Kommissarin im Gespräch mit einem kleinen Kind thematisiert und als Symbol des sozialen Aufstiegs beschrieben wird, in der Nachbearbeitung entfernt wurde. Im Übrigen gehört das Auto der Kommissarin, welches am intensivsten gezeigt wird, nicht zur Produktionshilfe von BMW, sondern wurde von der Produktionsfirma angemietet. Beides zeigt, dass bei der Produktion der Folge die Problematik der Markenplatzierung den Beteiligten durchaus bewusst war.

Es hätte jedoch von größerer Sensibilität gezeugt, wenn bei der Anmietung ein passendes Fahrzeug einer anderen Marke gewählt worden wäre, da als Dienstfahrzeuge zwei weitere BMW-Modelle im Rahmen der Beistellung eingesetzt wurden, wenngleich diese nur in sehr geringem Maße zu sehen sind.

Schaut man allerdings (im Rahmen einer kleinen Recherche) auf den tatsächlichen Fuhrpark der Kriminalpolizei im Saarland, so zeigt sich, dass dort BMW-Fahrzeuge genutzt werden. Abwegig und realitätsfremd ist daher der Einsatz der Dienstfahrzeuge in ‚Still ruht der See‘ keineswegs, sondern er entspricht der gestatteten Abbildung von Produkten zur Darstellung der realen Umwelt.

Auf Grundlage dieser Darlegungen empfehlen die Berichterstatter die Abweisung der Programmbeschwerde von Herrn Rosenkranz. Gleichzeitig erwarten wir jedoch vom ZDF eine sorgfältigere und breitere Auswahl dargestellter Fahrzeugmarken in fiktionalen Formaten und eine fortgesetzte Transparenz gegenüber dem Fernsehrat.“