Kulturkampf um die Wurst

Markus Söders Fleischlüge

Immer wieder behauptet der CSU-Chef, die SPD habe bei den Koalitionsverhandlungen „nur veganes Essen“ serviert – und Medien berichten das. Aber kann das wirklich sein? Wir haben mal nachgefragt.

CSU-Chef Markus Söder beim "Politikergrillen" auf dem Springer-Dach in Berlin am 2.7.25. Auf seiner Schürze: Markus Söder mit Grillzange und Fleisch.
CSU-Chef Markus Söder beim „Politikergrillen“ auf dem Springer-Dach in Berlin Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Vermutlich braucht Markus Söder einfach ein neues Feindbild. Das ständige Schimpfen auf die Grünen wird halt irgendwann langweilig.

Also ist jetzt die SPD dran.

Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident macht sich aber nicht einmal die Mühe, sich etwas Neues auszudenken. Was beim Lästern über die vermeintliche „Verbotspartei“ funktioniert, zieht auch beim Sticheln gegen die Genossen. Und so fokussiert sich Söder auch hier auf das Thema Fleisch. Genauer gesagt: auf angeblichen Fleischverzicht.

Seit Wochen tourt Markus Söder durchs Land und behauptet bei verschiedenen Veranstaltungen öffentlichkeitswirksam, bei den Koalitionsverhandlungen im Hause SPD sei die Stimmung stets am schlechtesten gewesen. Der Grund? Es habe immer nur „veganes Essen“ gegeben. Ein Thema, mit dem sich leicht Politik machen lässt. Und Schlagzeilen.

Spott beim „Schweinefest“

Beim „Schweinefest“ im bayerischen Viechtach sagte Söder im Mai:

„Bei der SPD gab es immer veganes Essen, immer miese Stimmung. Bei der CDU gab es ordentliches, aber zu wenig Essen. Aber wir: Ich habe immer auftischen lassen! Es ging in der Früh mit Weißwurst los. Dann gab es Schweinsbraten, Leberkäs.“

"Focus"-Schlagzeile: Söder spottet über SPD: "Da gab's immer veganes Essen, immer miese Stimmung"
Screenshot: focus.de

Vergangene Woche wiederholte Söder die Behauptung im Gespräch mit „Welt“-Chefredakteur Jan Philipp Burgard und nannte es: „Saskia-Esken-Küche“. Und auch beim CSU-Bezirksparteitag in Oberfranken gab es großen Applaus, wie der „Fränkische Tag“ berichtet:

„Bei der SPD gab es immer veganes Essen“, berichtete Söder von den Koalitionsverhandlungen. Die Folge: „miese Stimmung.“ Applaus im Saal. „Bei der CDU gab es immer so halb, halb, Geschnetzeltes oder so“, erklärte Söder weiter und winkte ab. „Bei mir in der CSU habe ich immer gutes fränkisches Essen aufgetischt, das ging morgens mit Weißwürsten los, über Schäuferla und Bratwurst. Und dazu Weißbier.“

„Currywurst ist SPD“

Alle lassen Söder reden und berichten munter drüber, aber niemand fragt sich, ob das denn überhaupt stimmen kann: Kein Fleisch bei der SPD? Der Partei, die noch im vergangenen Jahr neue Mitglieder mit Currywurst begrüßte? Die im Wahlkampf zu „Bier und Bratwurst“ einlud? Die mal Wahlplakate mit dem Slogan „Currywurst ist SPD“ drucken ließ?

Wir haben beim SPD-Parteivorstand nachgefragt, ob die Koalitionsverhandlungen tatsächlich so fleischlos waren, wie Söder behauptet. Die Antwort der Pressestelle – wenig überraschend: Nein, zu den Verhandlungen im Willy-Brandt-Haus wurde auch Fleisch serviert.

Und was meint Söder mit der „Saskia-Esken-Küche“? Das bezieht sich wohl auf ein Interview mit der „Zeit“, in dem die damalige Parteivorsitzende sagte:

„Ich esse seit 15 Jahren kein Fleisch, aber es ist nicht mein Ansatz, anderen den Appetit darauf zu verderben. Natürlich müssen wir die CO₂-Emissionen in der Landwirtschaft senken, natürlich müssen wir für tierwohlgerechte Produktion sorgen, aber es darf nicht so sein, dass sich am Ende nur noch die Reichen Fleisch leisten können.“

Das klingt nicht gerade nach einer Hardcore-Veganerin, die ihre Partei missionieren will.

Doch das interessiert Markus Söder wenig. Hauptsache, er kann Stimmung machen. Seine Fans lieben ihn dafür. Und Journalisten fressen die kleine Fleischlüge brav aus der Söder-Hand.

9 Kommentare

  1. Lieber erstmal nachplappern was unser kleiner Möchtegern Trump von sich gibt, da sind Klicks garantiert.
    Es ist ein Trauerspiel wie oft unsere Medien schnelle Klicks über Sorgfalt stellen.
    Daher nochmal ein extra Danke an Übermedien und ihren unermüdlichen Kampf gegen die Windmühlen.

  2. Fairerweise müsste man aber auch sagen, dass sich nur auf die Aussage des Pressesprechers des SPD Parteivorstands zu verlassen, auch nicht super sorgfältig ist.

  3. Genau, die SPD-Pressestelle könnte ja auch lügen! Und so verschiebt sich der Torpfosten nun mal.

  4. Ich verstehe diese Söder’sche Obsession für Fleisch sowieso nicht. Als Bayerin ist es mir nur peinlich, wenn der Möchteger-Foodfluenzer wieder seine unappetitlichen Essensbilder teilt. Leider gibt es hier aber genügend, die das aus Gründen der eigenen kognitiven Dissonanzreduktion („ich bin ein netter Kerl und mag Tiere“ vs. „Tierleid ist mir egal, solange ich meine Schweinshaxe bekomme“), sowas feiern. Es sind längst nicht mehr mehrheitlich die Veganer, die ihren Mitmenschen mit ihren Essgewohnheiten auf den Keks gehen. Als nicht sehr konsequente Vegetarierin muss ich mir fast jedes Mal Kommentare anhören, wenn ich mich in geselliger Runde für ein fleischloses Gericht entscheide.

  5. Technisch gesehen hat Söder nicht gesagt „Ausschließlich vegetarisches“, sondern „Immer vegetarisches“, womit er scheinbar meint, dass schon die Nähe von vegetarischem Essen auf die Stimmung drückt, selbst wenn man es nicht essen müsste.

    Andererseits ist das bei ihm vermutlich auch so.

  6. Ähh, sorry, „immer/ausschließlich“ _veganes_ Essen.
    Ändert nichts an seiner mutmaßlichen Stimmung.

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