Google

Holleri du Doodle di, diri diri Doodle dö

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Heute ist wieder so ein Tag, an dem sich zahllose Nachrichtenseiten in aller Welt beeilen, ihre Leser darüber zu informieren, was gerade auf der Startseite der größten Suchmaschine der Welt zu sehen ist. Alle paar Wochen tauscht Google sein Standardlogo gegen Illustrationen oder Animationen aus, die sich auf ein aktuelles Ereignis oder einen historischen Jahrestag beziehen. „Doodles“ heißen die Dinger.

Das sind oft nette Gimmicks; für Online-Medien ist es aber auch eine Gelegenheit, mit sehr wenig Aufwand relativ viel Besucherverkehr auf die eigenen Seiten zu locken. Google verlinkt seine Doodles nämlich jeweils mit einer passenden Suchanfrage. Wer auf die Illustration klickt, kommt zu einer Seite mit Artikeln, die sich mit dem aktuellen Doodle oder dem entsprechenden Thema befassen. Wer es schafft, auf dieser Seite weit oben zu erscheinen, am besten gleich in der News-Box an erster Stelle zu stehen, kann über die Suchmaschine innerhalb kurzer Zeit zehntausende Leser vermittelt bekommen.

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Heute erinnert Google mit dem Doodle – wie jedes Jahr am 22. April – an den „Earth Day“, der weltweit Anlass für Aktionen zum Schutz der Umwelt ist. Die „Welt“ hatte schon um 5:20 Uhr heute früh einen Artikel darüber auf ihrer Seite. Er war stundenlang an einer der begehrtesten Stellen platziert, was sich in Klicks auszahlte. Das Stück ist aktuell der meistgelesene Artikel, noch vor relevanteren und eigentlich überaus klickträchtigen Aufmacher-Themen wie einem Kommentar mit dem Titel: „Tabuthemen: Nehmt die AfD ernst, und beleidigt nicht den Wähler!“

Geschwindigkeit ist nicht das einzige Kriterium beim Ranking von Nachrichtenergebnissen in dieser aufmerksamkeitsstarken Box. Aber gerade bei einer Geschichte, die dann alle in der ein oder anderen Form haben, hilft es, einer der ersten zu sein.

Gerüchte, dass sich mit gut platzierten Doodle-Artikeln Millionen Pageviews (Seitenansichten) generieren lassen, sind nach Aussage von Branchenkennern zwar übertrieben. Aber was das Verhältnis von Aufwand zu Besucherverkehr angeht, sind sie dennoch außerordentlich attraktiv.

Das ist natürlich ein etwas unwürdiger Wettlauf, und von dem Gedanken, dass diese Artikel von klassischen journalistischen Kriterien wie Relevanz getrieben werden, muss man sich verabschieden: Es ist die Hoffnung auf den schnellen Klick.

Für Google ist das eine außerordentlich attraktive Situation: Die Verlage beeilen sich, alle über das zu schreiben, was der Suchmaschinenbetreiber macht. Es ist eifrige kostenlose PR für Google – und verschafft dem Unternehmen selbst und den von ihm gerade propagierten Themen (wie zum Beispiel jenem „Earth Day“) Aufmerksamkeit. Die Online-Medien stellen sich in den Dienst von Google, und Google belohnt die geschicktesten von ihnen mit Traffic. Das ist nicht so sehr im Einzelfall verwerflich, aber vom Prinzip her bedenklich: Die Aufgabe einer journalistischen Abwägung zugunsten eines rein klickgetriebenen automatischen Mechanismus. Andere Unternehmen und Organisationen tun sich ungleich schwerer, es mit ihren Aktivitäten und Themen in die Medien zu schaffen.

Freiwillig stellen sich heute also ungezählte Verlage weltweit in den Dienst der Werbung für dieses Suchmaschinenunternehmen und diesen Umweltaktionstag. Wobei der immerhin noch Anlass bietet für halbwegs nachrichtlich wirkende Artikel.

Je nachdem, welches Thema ein Google-Doodle hat, entstehen auch sehr bemüht wirkende Journalismus-Attrappen. Wie dieses frühmorgendliche Werk von „Spiegel Online“ aus dem vergangenen Dezember:

Winteranfang: Es schneit – zumindest bei Google

Auch wenn sich die Temperaturen nicht danach anfühlen: Es ist tatsächlich kalendarischer Winteranfang, auf der Nordhalbkugel wird die Wintersonnenwende gefeiert. Google nimmt den Tag zum Anlass für ein Schnee-Doodle.

Der Autor klagt zunächst, „es wird spät hell und früh dunkel“, überbringt den Lesern dann aber die „gute Nachricht“, dass ab jenem Dienstag „die Tage wieder länger werden“:

Den kalendarischen Winteranfang feiert Google mit einem Doodle, zu sehen ist eine Schneekugel, in der Schnee rieselt und zwei Menschen auf Schlittschuhen ihre Bahnen drehen.

Natürlich pflegen sie auch bei stern.de das Genre der suchmaschinenmotivierten Jahreszeitenpoesie:

Die Blätter werden herrlich bunt, segeln herab und rascheln so schön – der Herbst kann so schön sein, dass man den warmen Sommertagen gar nicht so arg hinterhertrauert. (…) Google läutet die Zeit, in der alle wieder Socken tragen (oder etwas anderes als Sandalen drumherum) und den Schal aus der Schrankecke fummeln, mit einem niedlichen Doodle ein.

Das Google-Logo ist von Kürbissen in verschiedenen Formen nachempfunden, die den Buchstaben ähneln. Dazu lugt ab und an ein freundliches Eichhörnchen hinter dem Logo hervor und winkt dem geneigten Googler mit einem Lächeln zu. (…)

Und gegen schlechte Laune helfen Tee und Gebäck – und all die bunten Blätter, natürlich. Haben Sie einen schönen Herbst!

Die Herausforderung einer detaillierten Bildbeschreibung nimmt auch RP-Online immer wieder gerne an:

Da, wo sonst der Schriftzug „Google“ darauf hinweist, auf welcher Seite man sich gerade befindet, sieht man nun nicht nur bunte Buchstaben, sondern verkleidete. Die beiden Os und ein G haben sich als Berliner Ballen verkleidet und pusten in Tröten, das L ist eine Luftschlange. Drumherum liegen Bonbons und abgeschnittene Krawatten, zudem fliegt Konfetti über das Logo.

Sowie, hier mit eher durchwachsenem Erfolg, „Focus Online“:

Zum Schaltjahr 2016 schmückt sich Google mit drei Hasen. Aber auch ein Doodle mit Fröschen ist am 29. Februar zu sehen.

Wer am 29. Februar 2016 die Suchmaschine Google aufruft, der stößt auf drei Hasen. Einer mit der Nummer 28 und ein anderer mit der eins auf dem Rücken (jedes Tier steht für einen Tag) halten ein Schläfchen. Der Clou: Im Laufe der wenige Sekunden andauernden Animation hoppelt ein drittes, mit der Ziffer 29 markiertes Langohr zwischen die anderen beiden und macht es sich dort gemütlich.

Das aktuelle Doodle spielt auf die englische Bezeichnung für Schaltjahr („Leap Day“) an. „Leap“ bedeutet übersetzt auch Sprung. 2016 ist ein Schaltjahr. Alle vier Jahre haben wir wegen eines Schaltjahres einen 29. Februar.

Gut, zum Lesen sind diese Texte ohnehin nicht vorrangig gedacht.

5 Kommentare

  1. Das traurige an den zitierten Artikeln ist, dass Google auch tatsächlich Dodles hat, bei denen man seine Allgemeinbildung ein wenig aufpolieren kann…

  2. Was mich bislang wundert: Bislang haben Spiegel, Welt und nichtmal die Google-Optimierungsexperten von Focus Online herausgefunden, dass sie schon nachmittags mit Besuch von Google Australien herausfinden können, ob es am nächsten Tag ein Doodle geben wird. Sollte Australien eines haben, das nicht spezifisch australisch ist, haben auch die anderen Länder eines. Auch die entsprechenden Keywörter für die Suche sind (abgesehen von der Sprache) identisch,

    Gibt auch YouTube-Kanäle, die entsprechend schon vorab das Doodle hochladen.

  3. Der zweite Absatz hat mir endlich verständlich gemacht, wieso es da da dauernd zu diesen SackReis-Meldungen kommt. Danke.

    Obwohl mich das als Startpage-Nutzer, der diese Dinger nie sieht, sogar wieder informiert.

    @alex: Push oder Pull? Wer hat denn für so was noch derart viel Zeit, wie Sie vorausetzen?
    „dass sie schon nachmittags mit Besuch von Google Australien herausfinden können, ob es am nächsten Tag ein Doodle geben wird“

    Die dafür zuständigen „Redaktionen“ werden davon doch wohl durch vorkonfektionierte, ready-to-personalize Google-Pressetexte im täglichen Profi-Newsletter in Kenntnis gesetzt, oder? (Profi-Insider-Insight erwünscht)

  4. Jetzt interessiert mich aber wirklich, warum Sie, Herr Niggemeier, mindestens mal die ersten 7 Suchergebnisse auch angeklickt haben? Prinzip Hoffnung? Bis auf die Augsburger Allgemeine und vielleicht noch Bild verraten ja alle schon in der Überschrift, was dahinter folgt.

    Und was haben Sie ausgerechnet bei den Clickbaiting- und SEO-Klitschen chip.de und giga.de erwartet?

    Ich bekomme Angst…

  5. Und ich hab beim Textausschnitt von Focus drei Sekunden lang überlegt, was Frös-chen sein könnten, und ob nicht Röschen gemeint waren. Ich hol mir noch nen Kaffee …

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